26.02.2021
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Miettipp

Wohnen im Tiefkühler

Eine kalte Stube ist ein Ärgernis. Welche Rechte haben Mietende, wenn die Heizung nicht funktioniert?

Es ist Samstagabend. Nach einem romantischen Winterspaziergang durch die verschneite Natur haben sich Stefanie und Martin Brüllhardt auf einen kuscheligen Filmabend auf der Couch gefreut. Doch statt in einer wohlig warmen Stube sitzen die beiden nun zähneklappernd und in Wolldecken gehüllt in ihrer eiskalten Bude. Offensichtlich streikt die Heizung. Damit müssen die Brüllhardts nicht leben. Ungenügende Raumtemperaturen stellen mietrechtlich einen Mangel dar. Denn das Mietobjekt entspricht nicht dem, was man als Mieter*in erwarten kann.

Die ideale Raumtemperatur

Hierzulande muss eine Wohnung ausreichend beheizbar sein. Ausreichend heisst 20 bis 21 Grad – in einem Minergiehaus sind es 19 bis 20 Grad. Von einem Mangel ist bei einer Abweichung von 3 bis 5 Grad auszugehen. Obwohl Mieter*innen damit eigentlich einen Anspruch auf eine Mindesttemperatur von 20 respektive 19 Grad haben, wäre es aber verschwenderisch, sämtliche Räume so stark zu beheizen. Um Energie zu sparen und damit auch das Portemonnaie zu schonen, empfiehlt das Bundesamt für Energie (BFE) deshalb für Schlafzimmer und Gänge eine Temperatur von lediglich 17 Grad. Den Mietenden steht es allerdings frei, welche Räume sie als Schlafzimmer nutzen wollen und welche als Wohn- oder Arbeitsbereich. Deshalb muss es möglich sein, die ganze Wohnung auf mindestens 20 Grad zu beheizen. Für das Badezimmer empfiehlt das BFE eine Idealtemperatur von 23 Grad. Erlaubt ist eine gewisse Temperaturschwankung in der Nacht. Auch dann muss es aber 16 bis 17 Grad warm sein. Argumente wie «Das ist in einem schlecht isolierten Altbau halt so» oder «Das hätten Sie selbst wissen müssen, als Sie in das Kellerappartement gezogen sind» zählen übrigens nicht.

Mehr Flexibilität dank Untermiete

Der Partner weg, die Kinder längst ausgeflogen – Barbara fühlt sich etwas einsam in dieser viel zu grossen Wohnung. Ausserdem geht die volle Miete ordentlich ins Geld. «Komm, wir gründen eine WG», schlägt ihre beste Freundin Lisa vor, als ihr Barbara ihr Leid klagt. Thun sei eine tolle Stadt, sie könnten gemeinsam kochen und würden ausserdem eine Menge Geld sparen. «Ja, wieso eigentlich nicht?», denkt sich Barbara. Allerdings hat sie aus der Vergangenheit gelernt. Aller Freundschaft zum Trotz möchte sie alleinige Hauptmieterin der Wohnung bleiben. Sie bietet Lisa deshalb einen Untermietvertrag an. Sollte das WG-Leben Lisa doch nicht behagen, kann sie diesen einfach wieder kündigen. Der Fortbestand des Hauptmietverhältnisses würde dadurch nicht gefährdet. Mit einer solchen Untermietkonstruktion wären die beiden Freundinnen allerdings nicht ganz gleichberechtigt. Barbara könnte als Hauptmieterin ihrer Untermieterin einseitig kündigen und Lisa müsste wieder ausziehen – vorausgesetzt, die Kündigung ist formell korrekt und nicht missbräuchlich. Anderseits geht Barbara mit der Untervermietung ein gewisses Risiko ein. Bezahlt Lisa ihre Miete nicht, schuldet Barbara ihrem Vermieter dennoch den gesamten Mietzins. Zusätzlich ist sie ihrem Vermieter gegenüber für Schäden verantwortlich, die ihre Untermieterin anrichtet. Natürlich könnte sie Lisa dafür belangen. Kann diese aber nicht bezahlen, bleibt Barbara auf dem Schaden sitzen. Darüber müssen sich Untervermieter*innen im Klaren sein. Trotzdem ist es oft empfehlenswerter, eine WG auf Untermietverhältnissen aufzubauen. 

Selbsthilfe in Notfällen

Nachdem sich die Brüllhardts vom ersten Kälteschock erholt haben, rufen sie die Verwaltung an. Natürlich vergebens. Dort ist erst am Montag wieder jemand erreichbar. Auch der Versuch, Hausmeister Krause zu erreichen, schlägt fehl. Müssen die Brüllhardts das Wochenende nun in eisiger Kälte verbringen? Nein, in Notfällen, wenn weder die Liegenschaftsverwaltung noch die Hauswartung innert nützlicher Frist zu erreichen sind, dürfen Mieter*innen ohne vorherige Information der Vermieterschaft eigenmächtig den Heizungsservice aufbieten. Besteht aber in diesem Fall nicht das Risiko, dass sie die Rechnung der Servicefirma am Ende selber berappen müssen? Im Normalfall schon. Gemäss Art. 259b OR haben Mieter*innen zwar das Recht zur sogenannten Ersatzvornahme. Das bedeutet, dass sie einen Mangel auf Kosten der Vermieterschaft selber beheben lassen dürfen. Vorausgesetzt ist allerdings, dass diese den Mangel kennt und nicht innert nützlicher Frist behebt. Deshalb sollten Mieter*innen die Vermieterschaft mit eingeschriebenem Brief über den Mangel informieren und ankündigen, selber einen Servicetechniker kommen zu lassen, sollte der Mangel in wenigen Tagen nicht behoben worden sein. An einem Samstagabend und bei einem Heizungsausfall ist dieses Vorgehen nicht praktizierbar, deshalb dürfen Brüllhardts den Service selber aufbieten und müssen nicht befürchten, dass sie die Rechnung selber zahlen müssen.

Sich aufs Nötigste beschränken

Martin Brüllhardt steigt in den Heizungskeller hinunter. Auf einem Kleber am Heizkessel findet er die Telefonnummer des Pikettdienstes. Bereits eine halbe Stunde später ist der Servicemonteur zur Stelle. Mit ernster Miene erklärt dieser, der Heizbrenner müsse ausgewechselt werden, und fragt, ob er gleich damit beginnen solle. Martin Brüllhardt kann den übermotivierten Servicemonteur noch im letzten Augenblick stoppen und bittet ihn, nicht mehr zu reparieren, als wirklich nötig ist. Denn sehr aufwändige und teure Reparaturen dürfen Mieter*innen nicht eigenmächtig auf Kosten der Vermieterschaft in Auftrag geben. Der Ersatz des Heizbrenners würde den Rahmen des Zulässigen sprengen und die Vermieterin der Brüllhardts könnte die Bezahlung verweigern. Wenn es jedoch eilt und die Vermieterschaft nichts unternimmt, können sich Mieter*innen allenfalls durch eine richterliche Verfügung zur Ersatzvornahme ermächtigen lassen. Allerdings funktioniert das natürlich nur unter der Woche.

Mietzins hinterlegen

Dem Servicetechniker gelingt es, die Heizung zumindest provisorisch zu reparieren. Zwei Tage später gibt sie erneut den Geist auf. Sollte die Vermieterin mit der Reparatur der Heizung nun weiter zuwarten, können Martin und Stefanie Brüllhardt gemäss Art. 259g OR Druck aufsetzen, indem sie den Mietzins amtlich hinterlegen. In diesem Fall bezahlen sie den Mietzins nicht mehr an ihre Vermieterin, sondern deponieren ihn auf einem ganz bestimmten, von der zuständigen Schlichtungsstelle bezeichneten Konto. Doch Achtung: Bei der Mietzinshinterlegung sind einige Formalitäten zu beachten. Andernfalls droht eine kurzfristige Kündigung. Mit eingeschriebenem Brief muss der Vermieterschaft erst eine Frist zur Behebung des Mangels gesetzt und die Hinterlegung angedroht werden. Bleibt die Vermieterschaft weiterhin untätig, muss der Mietzins pünktlich auf das amtliche Konto einbezahlt werden. Danach muss die Vermieterschaft über die Hinterlegung informiert werden. Innert 30 Tagen ist dann ein Mietschlichtungsverfahren einzuleiten, sonst wird das hinterlegte Geld an die Vermieterschaft ausbezahlt. Im Rahmen des Schlichtungsverfahrens wird dann entschieden, was mit dem hinterlegten Geld geschieht. Grundsätzlich erhält die Vermieterschaft den hinterlegten Mietzins, sobald sie die beanstandeten Mängel behoben hat. Ein Teil des hinterlegten Geldes kann als Mietzinsreduktion an die Mieterschaft zurückbezahlt werden. Die Hinterlegung und das anschliessende Schlichtungsverfahren sind kostenlos.

Anspruch auf Mietzinsreduktion

Mieter*innen, die wegen eines Heizungsdefekts frieren, haben Anspruch auf eine Mietzinsreduktion. Wie viel diese ausmacht, ist Ermessenssache. Bewegt sich die Raumtemperatur lediglich zwischen 16 und 18 Grad, kann eine Kürzung des Nettomietzinses durchaus angemessen sein. Die Mietzinsreduktion kann auch rückwirkend verlangt werden. Vorausgesetzt ist allerdings, dass die Vermieterschaft umgehend über die ungenügende Raumtemperatur informiert wird. Stefanie und Martin Brüllhardt sollten deshalb möglichst rasch mit einem eingeschriebenen Brief ihrer Vermieterin melden, welch eisige Temperaturen in ihrer Wohnung herrschen. Auch danach sollten sie zwei- bis dreimal täglich in einem Protokoll die Raumtemperatur notieren und das Thermometer fotografieren. So können sie später beweisen, wie kalt sie hatten.

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