Kühler Kopf trotz Zügelstress
Der neue Mietvertrag ist unterschrieben, der alte gekündigt und der Zügeltag rückt näher. Wir geben Ihnen hilfreiche Tipps, wie Sie den Wohnungswechsel reibungslos über die Bühne bringen.
- Zoom
- Patric Sandri
Beat Hunkeler wischt sich den Schweiss von der Stirn. Stundenlang hat er Kisten und Möbel geschleppt. Zum Glück hat er für die Endreinigung das Reinigungsinstitut «Schmutz und Co.» engagiert. Dazu verpflichtet wäre er nicht, er könnte die Wohnung auch selber putzen. Bei «Schmutz und Co.» ist Hunkeler aber in guten Händen.
Wie es sich für ein vertrauenswürdiges Unternehmen gehört, hat die Firma vorher einen Vertreter vorbeigeschickt. Der hat sich die Wohnung angeschaut und einen detaillierten Kostenvoranschlag erstellt. Zusätzlich hat sich Hunkeler eine schriftliche Abnahmegarantie zusichern lassen. Damit verpflichtet sich das Reinigungsinstitut, zum vereinbarten Preis so lange zu putzen, bis die Vermieterin nichts mehr auszusetzen hat.
Wie sauber muss es sein?
Wie sauber eine Wohnung bei der Abgabe sein muss, ist im Gesetz nicht genau definiert und sorgt immer wieder für Meinungsverschiedenheiten. Enthält der Mietvertrag keine Bestimmungen zur Reinigung, so sind die Wohnung und die dazu gehörenden Nebenräume wie Keller, Estrich und Garage überall gründlich zu reinigen. Verlangt ist ein gründlicher Grossputz. Dazu gehört, dass Böden und Kacheln in Küche, Bad und WC feucht aufgenommen, Schränke, Kühlschrank und Backofen ausgewaschen, sanitäre Anlagen gründlich gereinigt und die Fenster geputzt werden.
Gewisse Liegenschaftsverwaltungen stellen allerdings extrem hohe Ansprüche. Sie verlangen etwa, dass die Fensterläden geölt und das Dach des Wintergartens gereinigt werden. Das geht eindeutig zu weit. Gefährliche Putzarbeiten müssen Mietende nicht vornehmen. Auch andere Arbeiten nicht, die den Beizug von Fachpersonen erfordern. Die Bestimmung in Hunkelers Mietvertrag, wonach die Teppichböden von einer spezialisierten Firma zu reinigen sind, ist deshalb ungültig. Auch das Schamponieren des Teppichs, das der Mietvertrag vorsieht, kann Hunkeler selber erledigen.
Lässt die Sauberkeit zu wünschen übrig, so muss die Vermieterin dem Mieter eine kurze Nachfrist von rund einem Tag einräumen, um nachzuputzen. Lässt der Mieter diese Frist ungenutzt verstreichen, darf die Vermieterin auf seine Kosten putzen lassen.
Hunkeler will aber nichts dem Zufall überlassen und hat deshalb beim örtlichen Mieterinnen- und Mieterverband eine Expertin angefordert. Sie wird bei der Wohnungsabgabe dabei sein, ihm Ratschläge erteilen und ein Protokoll erstellen. Einer erfolgreichen Wohnungsabgabe steht also nichts mehr im Weg.
Trend zu digitaler Wohnungsabgabe
Da steht auch schon Priska Binggeli von der Liegenschaftsverwaltung vor der Tür. Es kann also losgehen. Bewaffnet mit einem iPad tigert Binggeli durch die Wohnung und fotografiert damit akribisch sämtliche Räume und Einrichtungsgegenstände. Mit dem Tablet-Stift erstellt sie ein digitales Abgabeprotokoll und notiert einzelne Mängel. Vor der Küchentür stutzt Binggeli und schaut sich die untere Kante der Tür genauer an. Die ist nämlich total ausgefranst. Da hat doch tatsächlich Hunkelers Bulldoge «Tyson» die Tür angefressen.
Bei einem solchen Schaden spricht man von «übermässiger Abnutzung». Eine übermässige Abnutzung liegt bei Veränderungen der Mietsache vor, die durch einen nicht vertragsgemässen oder übermässigen Gebrauch entstehen. Weitere Beispiele übermässiger Abnutzung sind vergilbte Tapeten wegen Rauchens, starke Kratzer und Dellen im Parkett oder gesprungene Fensterscheiben, verursacht durch die Mieterschaft, Gäste oder eben Haustiere.
Für solche Schäden sind Mieter*innen grundsätzlich entschädigungspflichtig, wobei bei der Bemessung der Entschädigung die Altersentwertung der beschädigten Wohnungsausstattung zu berücksichtigen ist. Anders ist die Rechtslage bei der «normalen Abnutzung». Diese ist bereits mit dem Mietzins abgegolten und geht zu Lasten der Vermieterschaft. Zur normalen Abnutzung gehören «Schatten» von Bildern an den Wänden und «Trampelpfade» auf Bodenbelägen. Auch Dübellöcher in den Wänden sind nicht zu beanstanden, sofern sie fachgerecht verkittet sind.
Altersentwertung berücksichtigen
Flink tippt Binggeli ihren Befund in ihr iPad, welches automatisch den Zeitwert der beschädigten Küchentür berechnet: Hunkeler soll drei Fünftel der Kosten für die Küchentür berappen. Gemäss der paritätischen Lebensdauertabelle hat eine einfache Innentür aus Pressspan eine Lebensdauer von fünfundzwanzig Jahren. Da Hunkeler vor zehn Jahren in die Wohnung eingezogen sei, betrage die Restdauer fünfzehn Jahre oder eben drei Fünftel der Kosten für die Küchentür, argumentiert Binggeli. Damit liegt sie allerdings falsch – trotz modernster Technik ist Binggeli ein typischer Fehler unterlaufen. Massgebend für die Berechnung der Altersentwertung ist nämlich nicht der jeweilige Mietbeginn, sondern wann die Küchentür tatsächlich eingebaut wurde. Hängt die Küchentür schon länger als fünfundzwanzig Jahre in den Angeln, ist ihre Lebensdauer bereits abgelaufen und Hunkeler muss nicht mehr blechen. Kennt man den massgebenden Zeitpunkt nicht, so hat ihn die Vermieterschaft bekannt zu geben und in einem allfälligen Schlichtungs- oder Gerichtsverfahren auch nachzuweisen.
Keine voreilige Unterschrift
Nachdem Binggeli die ganze Wohnung inspiziert hat, hält sie Hunkeler das digitale Abgabeprotokoll auf dem iPad unter die Nase und bittet ihn, dieses mit dem entsprechenden Stift direkt auf dem Bildschirm zu «unterzeichnen». Ein Doppel des Protokolls erhalte er per E-Mail, ein «physisches» Exemplar bekomme er später per Post. Für manche Mieter*innen mögen digitale Protokolle zwar praktisch sein. Oft sind sie jedoch sehr unübersichtlich, sodass man nicht genau weiss, was man jetzt unterschreibt.
Wie bei einem herkömmlichen Protokoll ist Hunkeler auch beim digitalen Protokoll nicht verpflichtet zu unterschreiben. Er sollte deshalb nur dann seine Unterschrift daruntersetzen, wenn er mit dem Inhalt vollkommen einverstanden ist. Denn eine Unterschrift kann unter Umständen als bedingungslose Schuldanerkennung ausgelegt werden, die er gerichtlich nicht mehr anfechten kann. Das Protokoll erscheint Hunkeler unplausibel. Er verweigert seine Unterschrift, woraufhin sich Binggeli im Gegenzug weigert die Wohnungsschlüssel entgegenzunehmen. Doch Hunkeler bleibt cool und lässt Binggeli, die sichtlich verärgert ist, ohne Wohnungsschlüssel von dannen ziehen. Er wird der Verwaltung den Schlüssel noch am selben Tag per Einschreiben zuschicken.
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