05.11.2020
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Miettipp

Was tun bei saftigen Mietzinsaufschlägen?

Bei Wechseln der Mieterschaft ist der Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen aufgeweicht. Doch vollkommen ausgeliefert ist man der Vermieterschaft nicht.

Wechsel der Mieterschaft werden oft für happige Mieterhöhungen genutzt.
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Wechsel der Mieterschaft werden oft für happige Mieterhöhungen genutzt.

Nach schier endloser Suche haben Frieda und Hans Hölzel doch noch etwas Passendes gefunden: Eine 2,5-Zimmer-Wohnung in einem Mehrfamilienhaus am Stadtrand von Zürich. Nichts Besonderes. Mit Ausnahme des Mietzinses – der ist besonders hoch. Die 2500 Franken scheinen den Hölzels etwas viel, umso mehr, als die letzte Renovation schon etliche Jahrzehnte zurückzuliegen scheint. Diesen Eindruck bestätigt das Formular, welches ihnen der Vermieter zusammen mit dem Mietvertrag aushändigt, und auf dem steht, dass die Vormieterin nur 2000 Franken Miete bezahlt hat. Die 2500 Franken seien halt «orts- und quartierüblich», argumentiert er.

Während 30 Tagen anfechtbar

Beim Abschluss eines Mietvertrags ist der Mietzins grundsätzlich Verhandlungssache. Und da Wohnungen ein knappes Gut sind, können Vermieter*innen ihre Interessen besonders gut durchsetzen. Damit Mietende der Vermieterschaft aber nicht schutzlos ausgeliefert sind, wurde der Artikel 270 OR geschaffen. Dieser erlaubt es Neumieter*innen von Wohnungen und Geschäftsräumen grundsätzlich, den Anfangsmietzins innert 30 Tagen nach Übernahme bei der Schlichtungsbehörde als missbräuchlich anzufechten. Damit die kantonale Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht sich der Sache annimmt, muss eine von drei Voraussetzungen gegeben sein: Der Mietvertrag muss entweder aus einer persönlichen Notlage heraus oder wegen Wohnungsknappheit unterschrieben oder der Mietzins mit der Neuvermietung «erheblich» erhöht worden sein. Als «erheblich» gilt in der Praxis eine Erhöhung um mindestens 10 Prozent, als «persönliche Notlage» eine Scheidung oder Trennung, Nachwuchs, Veränderungen des Arbeitsorts oder eine bereits ausgesprochene oder drohende Kündigung des bisherigen Mietverhältnisses. «Wohnungsknappheit» schliesslich liegt vor, wenn die Leerstandsziffer weniger als 1,5 Prozent des lokalen Gesamtwohnungsbestands beträgt.

Frist nicht verpassen!

Froh darüber, endlich etwas gefunden zu haben, haben die Hölzels den Mietvertrag unverzüglich unterschrieben. Das bedeutet glücklicherweise nicht, dass sie ihn nun nicht mehr anfechten könnten. Denn auch wenn die Unterschrift unter dem Mietvertrag steht, bedeutet das noch nicht, dass der darin genannte Mietzins akzeptiert wird. Was die Hölzels allerdings beachten müssen, ist die 30-tägige Frist für die Anfechtung. Lassen sie diese ungenutzt verstreichen, gilt der im Mietvertrag festgesetzte Mietzins als akzeptiert und eine Reduktion ist nur noch möglich, wenn zum Beispiel der Referenzzinssatz sinkt. Es ist deshalb wichtig, trotz Zügelstress sofort zu handeln.

Auskunftspflicht der Vermieterschaft

Damit Mietende die Chance einer Anfechtung überhaupt abschätzen können, haben sie gemäss Art. 256a Abs. 2 OR das Recht zu erfahren, wie hoch die Miete ihrer Wohnung zuvor war. In den Kantonen Genf, Freiburg, Neuenburg, Waadt, Zug, Zürich und neu auch Luzern (siehe Seiten 6 bis 8) muss die Vermieterschaft den bisherigen Mietzins auf einem amtlich genehmigten Formular offenlegen. Der Vermieter der Hölzels hat diesbezüglich vorbildlich gehandelt und ihnen den Mietzins des Vormieters auf dem Formular mitgeteilt. Hätte er das nicht getan, wären die Hölzels nicht an die 30-tägige Frist gebunden. Der Mietzins gilt in einem solchen Fall als nicht gültig vereinbart und die Mieterschaft kann auch nach Ablauf der 30 Tage noch beantragen, dass die Schlichtungsbehörde oder das Gericht den Mietzins im Zuge der sogenannten richterlichen Lückenfüllung festlegt.

Wann ist ein Mietzins missbräuchlich?

Wenn eine der Voraussetzungen von Art. 270 OR erfüllt ist, heisst das aber noch nicht, dass der Anfangsmietzins missbräuchlich ist. Als missbräuchlich gilt ein Mietzins erst, wenn die Vermieterschaft einen übersetzten Ertrag damit erzielt oder die Wohnung teurer ist als andere Wohnungen in vergleichbarem Zustand im Quartier (Orts- und Quartierüblichkeit). Als oberstes Prinzip des Mietrechts gilt, dass der Ertrag aus einem Mietobjekt nicht übersetzt sein darf. Selbst wenn sich der Mietzins also im Rahmen der Orts- und Quartierüblichkeit bewegt, können Neumieter*innen geltend machen, die Vermieterschaft erziele einen zu hohen Ertrag. Gehört die Liegenschaft schon lange derselben Eigentümerschaft, ist es aber oft schwierig, eine Ertragsberechnung vorzunehmen. In solchen Fällen müssen sich Neumieter*innen mit einer Beurteilung der Orts-und Quartierüblichkeit begnügen.

Hürden des Verfahrens

Will die Mieterschaft einen Anfangsmietzins anfechten, ist sie es, die die Missbräuchlichkeit beweisen muss, die Vermieterschaft trifft dabei eine Mitwirkungspflicht. Nun ist dies für Mietende ohne Vorhandensein der nötigen Unterlagen nahezu unmöglich. Sie können aber beantragen, dass die Vermieterschaft eine Ertragsberechnung vorlegt.

Der Beweis des orts- und quartierüblichen Mietzinsniveaus ist ebenfalls schwierig. Dazu müssen mindestens fünf vergleichbare Mietobjekte gefunden werden, die sich bezüglich Lage, Grösse, Ausstattung, Zustand und Bauperiode mit dem betroffenen Objekt vergleichen lassen. Das Bundesgericht hat die Beweispflicht der Mietenden bei der Anfechtung des Anfangsmietzinses allerdings gelockert. Erhöht die Vermieterschaft den Mietzins bei einem Wechsel trotz rückläufigem Referenzzinssatz und rückläufiger Teuerung um mehr als 10 Prozent, ist sie es, die belegen muss, dass der Mietzins dem orts- und quartierüblichen Niveau entspricht. Gelingt ihr dies nicht, senkt das Gericht den Mietzins auf das zulässige Mass herab. Die Hölzels haben diesbezüglich gute Karten: Ihre Miete wurde um satte 25 Prozent erhöht. Es liegt also an ihrem Vermieter zu belegen, dass der neue Mietzins orts- und quartierüblich ist. Gelingt ihm dies allerdings, scheitert die Anfechtung und der festgelegte Mietzins von 2500 Franken ist gültig.

Die Anfechtung des Anfangsmietzinses hat so ihre Tücken. Die Hölzels sollten sich deshalb am besten vom Mieterinnen- und Mieterverband beraten lassen.