Sommerferien auf dem heimischen Balkon
Diesen Sommer dürften viele Mieterinnen und Mieter in ihrer Wohnung verbringen – Konflikte sind vorprogrammiert. Wir sagen Ihnen, wie Sie diese möglichst elegant umschiffen.
Es ist Hochsommer. Wie jedes Jahr wollte Andrea Bühler ihre Ferien eigentlich in einem gediegenen Hotelressort auf Mallorca verbringen. Doch das Corona-Virus hat ihr diesen Plan vereitelt. Sie nimmt es gelassen. Wieso eigentlich in die Ferne fahren, wenn das Urlaubsziel auch direkt vor der eigenen Balkontür liegen kann? Sie räkelt sich genüsslich im Privatpool auf dem Balkon ihrer Mietwohnung. Okay, der Privatpool ist eigentlich nur ein aufblasbares Planschbecken, doch dafür garantiert frei von penetranten Animateuren und kreischenden Kindern.
Pflanzen als Schutz vor neugierigen Nachbarsblicken
Nichts scheint das Ferienfeeling zu trüben, wäre da nicht ihr Nachbar. Auch er geniesst die herrlichen Temperaturen auf seinem Balkon und schaut dabei gelegentlich zu ihr rüber. Zurecht fühlt sich Andrea Bühler dadurch in ihrer Privatsphäre gestört. Mit einem Sichtschutz wäre sie vor den neugierigen Blicken gut abgeschirmt. Pflanzen wie beispielsweise Schirmbambus oder Schachtelhalm eignen sich dazu besonders gut und wären auch dekorativ ein Hingucker auf ihrem Balkon. Doch ist es ihr als Mieterin überhaupt erlaubt ihren Balkon zu begrünen? Sofern dieser ausschliesslich zu ihrer Wohnung gehört, dürfen Mieter den Balkon grundsätzlich nach Lust und Laune nutzen. Andrea Bühler darf also Büsche anpflanzen, einen Vorhang anbringen oder sich mit einer Schilfmatte vor Blicken aus der Nachbarschaft schützen. Begrenzt wird diese Freiheit allerdings durch die bauliche Tragfähigkeit des Balkons. Nicht erlaubt sind Pflanzentröge, die so schwer sind, dass der Balkon einzustürzen droht. Für Laien ist die Belastungsgrenze schwer abzuschätzen. Deshalb sollte sich Andrea Bühler vor grösseren Anpflanzungen besser mit dem Vermieter absprechen. Das Grüngut darf zudem nicht über den Bereich wachsen, der den Mietenden zusteht. Andrea Bühler darf also keine Pflanzen der Fassade entlangklettern oder vor die Fenster der unter ihr liegenden Wohnungen hängen lassen. Dass in die Höhe spriessende Pflanzen die Balkonbrüstung etwas überragen ist erlaubt, solange sie dem Nachbar dadurch nicht die Aussicht aus seiner Wohnung verdecken. Dies zu verbieten, wäre unverhältnismässig.
Kinderlärm muss toleriert werden
Kurz nachdem es sich Andrea Bühler mit einer weiteren Margarita in der Hand im Planschbecken bequem gemacht hat, durchdringt Kindergekreische, das durch Mark und Bein geht, die angenehme Nachmittagsruhe. Leicht beschwipst über die Balkonbrüstung hängend erblickt sie im Innenhof eine Horde Nachbarskinder, die sich hochvergnügt mit ihren Bobbycars ein wildes Rennen liefern. Muss sich Andrea Bühler diesen Lärm bieten lassen? Geräusche von kleinen Kindern tagsüber gehören zum Alltag und müssen toleriert werden. So hat es das Genfer Berufungsgericht in einem Urteil unmissverständlich festgehalten. Das Urteil liegt zwar schon eine Weile zurück, behält aber nach wie vor seine Gültigkeit. Gemäss dem Gericht dürfen Kinder spielen, hüpfen, singen, kreischen und eben auch auf Bobbycars herumkurven. Zu respektieren sind natürlich die Ruhezeiten. Diese ergeben sich aus dem Mietvertrag und sind örtlich verschieden. Überall gilt aber ab 22 Uhr Nachtruhe. Ab dann sind lautes Spielen, Geschrei und Kindergeburtstagspartys nicht mehr erlaubt. Dass ein Kleinkind oder ein Baby auch während der Ruhezeiten einmal weint oder sich zu Boden wirft und «täubelet», ist nicht zu beanstanden. Das gehört zum normalen Leben und lässt sich nicht vermeiden. Den Kinderlärm muss Andrea Bühler also wohl oder übel über sich ergehen lassen.
Ein komplettes Grillverbot ist unverhältnismässig
Nun mit Ohrenstöpseln ausgestattet legt sich Andrea Bühler zurück ins Planschbecken. Doch die wiedergewonnene Balkonidylle währt nur kurz. Der Nachbar der unteren Wohnung hat nämlich zur Balkonparty geladen und den Grill angeworfen. Nun ziehen dichte Rauchschwaden zu ihr hoch. Grillieren auf dem Balkon ist doch verboten? So steht es doch explizit im Mietvertrag. Ein vollständiges Grillverbot auf dem Balkon lässt sich mietvertraglich aber nicht durchsetzen. Ein solches lässt sich unbestrittenermassen nicht mit dem in Art. 253 OR verankerten Nutzungsrecht des Mietenden vereinbaren. Als Freipass, die Nachbarn einzuräuchern, ist das jedoch nicht zu verstehen. Mieter*innen haben eine Rücksichtspflicht gegenüber Nachbarn und den anderen Hausbewohner*innen. Halten sie sich nicht daran, kann und muss die Vermieterschaft einschreiten. Bei wiederholten Verstössen kann sie dem Störenfried sogar kündigen. In Extremfällen, wenn eine schriftliche Abmahnung nichts nützt, ist sogar eine ausserordentliche Kündigung denkbar, mit einer Frist von 30 Tagen auf Ende eines Monats. Ob der Vermieter gegen die übermässige Rauch- und Geruchsbelästigung durch einen Grill einschreitet, liegt nicht im Belieben des Vermieters. Mieterinnen und Mieter, die sich dadurch gestört fühlen, haben ein Recht darauf. Sie können unter Umständen sogar Duck auf die Verwaltung ausüben, wenn diese untätig bleibt, indem sie den Mietzins amtlich hinterlegen. Das korrekte Vorgehen weist jedoch einige Tücken auf. Man tut gut daran sich vorgängig durch den Mieterinnen- und Mieterverband beraten zu lassen.
Die Lösung lautet: Leben und leben lassen
Wegen Rauch und Lärmimmissionen den Rechtsweg zu beschreiten, ist jedoch nicht ratsam. Zufriedenstellende Ergebnisse sind selten. Wer sich vor der Mietschlichtungsbehörde oder beim Gericht über derartige Störungen beklagt, hat manchmal ein Beweisproblem und wird verdächtigt, überempfindlich zu sein. Ebenfalls schlechte Karten hat, wer sich jedem Gespräch verweigert, wenn sich seine Nachbarn gestört fühlen. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, soweit wie möglich Toleranz walten zu lassen und immer im gegenseitigen Gespräch eine Lösung zu finden. Da die heissen Sommertage in unseren Breitengraden nicht alltäglich sind, wird es sich in vielen Fällen empfehlen einfach die Fenster zu schliessen und ein Auge zuzudrücken, wenn sich vom Nachbarbalkon penetrante Marinadendüfte ausbreiten. Meistens steckt nämlich keine bewusste Rücksichtslosigkeit dahinter, sondern der gute Nachbar hat seinen Grill nicht im Griff. Bis zum nächsten Barbecue hat er seine Grillkünste vielleicht verbessert.
Gerade als Andrea Bühler wutentbrannt die Telefonnummer des grillierenden Nachbarn eingibt um sich bei ihm zu beschweren, klingelt es an ihrer Wohnungstür. Widerwillig öffnet sie. Vor der Wohnungstür steht – ihr Nachbar. Freundlich entschuldigt er sich wegen der Rauchentwicklung. Die Grillade sei nun aber gar und die Gäste werden in jedem Augenblick aufkreuzen. Sie sei auch herzlich zur Balkonparty willkommen. Ihr Ärger ist verflogen und sie willigt ein. Nach den Strapazen im Planschbecken ist eine gemütliche Runde doch eigentlich ideal um den herrlichen Sommertag ausklingen zu lassen.
(Bild: Menschen Vektor erstellt von freepik - de.freepik.com)
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