14.09.2018
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Jetzt geht es um die Wurst!

Bald kommt die Wohninitiative des MV ins Parlament. Wird die Politik zeigen, dass sie das Thema bezahlbare Wohnungen endlich ernst nimmt?

Mietende rebellieren gegen eine falsche Wohnpolitik (hier in Basel im Winter 2017).
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Mietende rebellieren gegen eine falsche Wohnpolitik (hier in Basel im Winter 2017).

Kennen Sie unsere Bundesverfassung? Dort steht in Artikel 41 folgender Satz: «Bund und Kantone setzen sich dafür ein, dass Wohnungssuchende für sich und ihre Familie eine angemessene Wohnung zu tragbaren Bedingungen finden können.» Jetzt kann das Parlament zeigen, dass es diesen Auftrag aus der Verfassung ernst nimmt. Denn auf dem Tisch liegt die Volksinitiative des Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverbands (SMV) «Für mehr bezahlbare Wohnungen». Sie verlangt konkrete Massnahmen für den günstigen Wohnungsbau. Ob eine Mehrheit der Volksvertreterinnen und Volksvertreter dem Anliegen folgt, scheint offen. Jedenfalls lehnt der Bundesrat die Initiative mit unzutreffenden Argumenten ab (es stand im M+W).

Nüchtern und objektiv betrachtet, hat sich die Wohnsituation verschlechtert. Vor allem in den Städten. Das wissen alle, die dort leben. Das Angebot ist knapp, die Mieten teuer, und sie steigen weiterhin fast ungebremst. Vor allem bei Mieterwechseln schlagen Vermieter teils massiv auf. Die Schweiz kennt keine Mietpreisbremse. So belasten die Mieten das Haushaltsbudget stark. Wären sie günstiger, gäbe es für Viele mehr Luft zum Atmen. Auf diese Weise reift in den Städten eine soziale Wohnkrise heran. Es ist höchste Zeit für neue politische Stellschrauben.

Das sind die wichtigsten Punkte der Wohninitiative:

  • Der Bund soll zusammen mit den Kantonen das Angebot an preisgünstigen Mietwohnungen fördern.
     
  • Er sorgt dafür, dass mindestens 10 Prozent der neu gebauten Wohnungen von gemeinnützigen Trägern erstellt werden und deshalb günstig sind.
     
  • Kantone und Gemeinden sollen ein Vorkaufsrecht für geeignete Grundstücke einführen, um den gemeinnützigen Wohnungsbau anzukurbeln.
     
  • Programme der öffentlichen Hand zur Förderung von Sanierungen dürfen nicht zum Verlust von preisgünstigen Mietwohnungen führen.
     

Ohne Gegensteuer verschärft sich die Wohnkrise

Dies ist das dringend nötige Gegenprogramm zur bisherigen Passivität des Bundes. Er tut herzlich wenig für bezahlbare Wohnungen. Nicht nur das: Er hat sogar die von der Verfassung verlangte Förderung der Gemeinnützigen schleichend ab- statt ausgebaut. Mit der Folge, dass der Marktanteil der Genossenschaften auf unter 5 Prozent gesunken ist. Ohne Gegensteuer wird er noch weiter sinken. Es ist daher die Pflicht der Politik, die Förderung gemäss Verfassung wieder heraufzufahren.

Leider vermochte sich der Bundesrat nicht aus der Umklammerung der Immobilieninteressen zu befreien. Er lehnt die Wohninitiative unter anderem mit dem Argument ab, sie würde zu viel kosten. Aber da malt er den Teufel an die Wand und übersieht die stark steigenden sozialen Kosten, die überteuerte Mieten schon heute verursachen: nämlich in Form von höheren Ausgaben für Ergänzungsleistungen und Sozialhilfe. Leider zeigt sich der Bundesrat ideologisch fixiert. Er will die Wohnpolitik allein dem Markt überlassen. Doch das führt in die Irre. Das Parlament darf diese dogmatische Haltung nicht übernehmen. Es muss handeln, um die Wohnkrise insbesondere in den Agglomerationen einzudämmen. Das gebietet das Wohl der Bevölkerung. Und daran hat sich das Parlament auszurichten.