Der Bundesrat bleibt blind
Warum der Bundesrat die Wohninitiative ablehnt. Und warum er damit auf dem Holzweg ist.
Eine Überraschung war es nicht, als der Bundesrat Ende Januar seine Meinung zur Wohninitiative kund tat. Er lehnt sie ab. Was denn sonst? Der zuständige Bundesrat, Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (FDP), zeigte sich bisher stets marktgläubig. Blind, was Wohnfragen betrifft. Jetzt ist ihm der Bundesrat noch gefolgt.
Die Wohninitiative wurde vom Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverband (SMV) mit Unterstützung der Genossenschaften, des Gewerkschaftsbunds und der Linksparteien eingereicht. Sie verlangt mehr Wohnraum ohne Gewinn: 10 Prozent der neu erstellten Wohnungen sollen gemeinnützig erstellt werden, mit erschwinglichen Mieten. Dies entspricht dem dringenden Wunsch vieler Mietenden und Familien. In den Agglomerationen finden sie kaum mehr eine bezahlbare Wohnung. Dabei ist Wohnen ein soziales Grundrecht. Der Bundesrat hat den verfassungsmässigen Auftrag, für günstigen Wohnraum zu sorgen. Nur tut er wenig bis nichts dafür.
Schneider-Ammann bezeichnet gemeinnützigen Wohnungsbau als «marktergänzendes Segment»
Wohnungen müsse in erster Linie die Privatwirtschaft bauen, meint er. Der gemeinnützige Wohnungsbau ist für ihn nur ein «marktergänzendes Segment zum Schliessen von Angebotslücken». Die von der Initiative geforderten Förderinstrumente sowie die Zielgrössen seien «nicht realistisch». Hier drückt die totale Marktgläubigkeit von Schneider-Ammann durch. Oder besser: die seiner Berater vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). Wohnen gehörte nie zu den Themen, die unseren Wirtschaftsminister besonders bewegen.
Für Schneider-Ammann dürfte es schwieriger werden, in der Wohnfrage glaubwürdig zu bleiben. Die überhöhten Mieten in jeder grösseren Stadt beweisen, dass der Markt das sich verschärfende Wohnproblem nicht löst. Der Markt ist vielmehr das Problem und nicht die Lösung. Deshalb braucht es Regulierungen, die ein genügendes Angebot an günstigen Wohnungen gewährleisten. Zum Beispiel mit Instrumenten, wie sie die Wohninitiative vorschlägt. Und die in Zürich, Bern, Luzern und St.Gallen bereits angenommen wurden oder zumindest ernsthaft diskutiert werden.
Am Problem vorbei
Der Bundesrat will nicht in den Mietmarkt eingreifen. Mindestens anerkannt er den Mangel an günstigen Wohnungen. Deshalb will er als indirekten Gegenvorschlag den so genannten Fonds de roulement aufstocken. Um wieviel, sagt er aber nicht. Dieser Bundesfonds gewährt gemeinnützigen Genossenschaften günstige Darlehen, damit sie bauen können. Der Fonds ist eine gute Sache. Doch das grösste Problem löst er nicht: Die Genossenschaften können kaum noch Grundstücke kaufen, weil sie regelmässig von kapitalkräftigen Immobilien- und Finanzunternehmen ausgestochen werden. Solange dies so ist, entstehen im Neubau nur teure Wohnungen. Und keine mit günstigen Mieten. Genau das muss sich ändern.
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