01.07.2018
-
Basel-Stadt  | 
M+W  | 
News

Basel muss umdenken

Die Basler Stimmberechtigten haben in einem fulminanten Votum den Weg für mehr Mieterschutz frei gemacht.

Es war ein sensationeller Urnengang. Am 10. Juni hiess die Basler Bevölkerung gleich vier Wohn- und Mieterschutzvorlagen gut. Was ändert sich jetzt?

  • Die Basler Vermieter müssen die Vormiete auf einem Formular angeben. So können Mietende überrissene Anfangsmieten besser anfechten (72% Ja zu «Mieterschutz beim Einzug»). Basel folgt damit sechs Kantonen, in denen diese Transparenzpflicht bereits gilt, darunter Zürich.
  • Vor Gericht fallen die Parteientschädigungen weg, und die Gerichtsgebühren werden beschränkt. Damit sind wichtige finanzielle Hürden für Mietende in Streitigkeiten beseitigt (50,1% Ja zu «Mieterschutz vor Gericht»).
  • Die Baslerinnen und Basler haben ein Recht auf bedarfsgerechten Wohnraum mit tragbarem Mietzins. Der Kanton muss diese neue Verfassungsbestimmung mit einer starken Förderung des genossenschaftlichen Wohnbaus umsetzen (57% Ja zu «Recht auf Wohnen»).
  • Der Kanton muss Massnahmen gegen renditegetriebene Sanierungen und die Vertreibung von Mietenden aus günstigen Wohnungen ergreifen. Notwendige Instrumente sind eine Bewilligungspflicht und Mietzinskontrollen nach Umbauten (61% Ja zur «Wohnschutzinitiative»).

Drei der erfolgreichen Initiativen stammen vom MV Basel, eine aus engagierten Sozialkreisen. Es war eine Überraschung, dass gleich alle Anliegen gutgeheissen wurden. Das klare Ja des Souveräns offenbart das grosse Missbehagen über die fahrlässige Politik der Behörden und den fehlenden Mieterschutz. Insbesondere das mieterfeindliche Vorgehen der staatlichen Pensionskasse hat viele empört. Eine Demo der Betroffenen im Januar 2017 – darunter viele ältere Menschen – führte einer breiten Öffentlichkeit das Malaise mit dem Wohnen vor Augen. Zum Sieg an der Urne trug aber auch die engagierte und aufwendige Kampagne des MV Basel bei. Sie warb gezielt in den veschiedenen Bevölkerungsgruppen für ihre Anliegen.

Signal für eine politische Neuausrichtung

Die beiden Seniorinnen Margrit Benninger (91) und Eliette Pilonnel (79) haben sich aktiv im Abstimmungskampf für die Wohnschutzinitiativen engagiert.
Zoom
Die beiden Seniorinnen Margrit Benninger (91) und Eliette Pilonnel (79) haben sich aktiv im Abstimmungskampf für die Wohnschutzinitiativen engagiert.

Basel muss nun seine Wohnpolitik überdenken. Sie beruhte bisher auf forcierten Neubauten in brachliegenden Arealen sowie auf verstärkten Sanierungen von Altbauten – ohne Rücksicht auf die Folgen für Betroffene und für das Mietzinsniveau der Stadt. Das Volks-Ja ist das Signal für eine politische Neuausrichtung. Bei Neubauten müssen künftig vermehrt Gemeinnützige zum Zug kommen, die Gewähr für bezahlbare Mieten bieten. Und der Staat muss Kontrollmechanismen gegen Sanierungen einführen, die mehr der Gewinn- als der Komfortsteigerung dienen. Im Kanton Waadt hatten die Stimmberechtigten letztes Jahr einen ähnlichen Wohnschutz gutgeheissen. Basel folgt diesem Pionierentscheid und setzt sich damit in der Deutschschweiz an die Spitze.

Der MV fordert jetzt eine rasche Umsetzung des Volksentscheids. «Wir verlangen eine sofortige Abkehr vom bedingungslosen Verdichten in den Quartieren sowie eine soziale Ausrichtung der Pensionskasse», sagt Geschäftsleiterin Patrizia Bernasconi. Sie erwartet, dass die Regierung bis Dezember dem Parlament Vorschläge präsentiert und der MV seine Vorstellungen für Gesetzesreformen einbringen kann.