10.06.2015
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Energiewende: Mieter zahlen mehr nach Renovation

Energetische Sanierungen bringen Mietern eine Mehrbelastung. Das bestätigt eine BFE-Studie mit brisantem Ergebnis.

Seit einigen Jahren rollt eine Sanierungswelle durchs Land. Haben auch die Mieter etwas davon? Ja, hiess es immer: Sie würden von niedrigeren Heizkosten profitieren. Diese machten die gestiegene Miete nach einer Sanierung längerfristig wieder wett. Doch dieses Argument überzeugte den Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverband (SMV) nie. Denn die Praxis zeigt jeweils hohe Mietaufschläge, aber kaum tiefere Heizkosten. Viele Sanierungen entpuppen sich als Vorwand für Renditesteigerungen: Nicht Werterhaltung ist das Ziel, sondern mehr Gewinn.

Bei Sanierungen profitiert immer der Besitzer

Nun bestätigt eine Studie des Bundes diesen Sachverhalt. Selbst wo keine renditehungrigen Immobiliengesellschaften am Werk sind, ziehen die Mietenden den Kürzeren und zahlen drauf. Die Untersuchung mit dem Titel «Energetische Sanierung. Auswirkungen auf Mietzinsen» haben die beiden Bundesämter für Energie (BFE) und Wohnungswesen (BWO) in Auftrag gegeben. Sie wurde im Januar ohne Begleitkommunikation publiziert. Kein Wunder, sind die Resultate doch politisch äusserst brisant. 

Die Studie untersucht zehn Renovationsprojekte und ihre Folgen für die Mietzinsen. Hier die drei wichtigsten Ergebnisse:

  • Sanierungen sind für Hausbesitzer rentabel. Sie schlagen Renditen von 2 bis 8 Prozent heraus. 
  • Für Mieter sind die Mieterhöhungen nach der Sanierung höher als die Kosteneinsparungen aus dem reduzierten Energieverbrauch. Es resultiert eine Nettomehrbelastung. 
  • Bei Kündigungen mit Mieterwechseln erhöhen die Besitzer die Mieten stärker als bei Sanierungen ohne Kündigungen. 

Wer saniert, kassiert (Studienbeispiele)

Projekt Miete vorher Miete nachher Energ. Ersparnis
Wohnblock Fr. 1210.00 Fr. 1630.00 Fr. 55.00
Wohnblock Fr. 1136.00 Fr. 1295.00 Fr. 5.30
Wohnblock Erhöhung Fr. 191.00   Fr. 12.00
Reihen EFH Erhöhung Fr. 240.00   Fr. 134.00
Wohnblock Erhöhung Fr. 356.00   Fr. 34.00
Wohnblock Fr. 1412.00 Fr. 2118.00 Fr. 63.40
Siedlung Fr. 1004.00 Fr. 1217.00 Fr. 31.00
Siedlung Fr. 833.00 Fr. 1298.00 Fr. 30.00
Siedlung Fr. 1951.00 Fr. 2178.00 Fr. 72.00

Obwohl die Studie mit nur zehn Fällen nicht repräsentativ ist, deckt sie doch einen Grossteil der Renovationspraxis ab. Es wurden Mehrfamilienhäuser und Siedlungen verschiedenen Alters (von 30 bis 100 Jahren) untersucht. Sie stehen in der Stadt, in der Agglomeration und auf dem Land. Es ging um Totalsanierungen, mit und ohne Renovation der Aussenhülle und der Gebäudetechnik. Die Eigentümer sind Pensionskassen, Genossenschaften und die öffentliche Hand. Also ein breites Spektrum. Teilweise erfolgten Kündigungen vor der Sanierung, teilweise nicht. 

Bei allen Projekten entstanden den Mietenden unter dem Strich Mehrkosten. Die geringeren Heizkosten konnten die Mietaufschläge nicht kompensieren, teilweise bei weitem nicht. Der Kostenvergleich zeigt es (siehe Tabelle). Frappant sind die Berechnungen der Studie in den Fällen, wo den Mietenden vor der Sanierung gekündigt wurde. Regelmässig fielen ins solchen Fällen die Mietaufschläge bedeutend höher aus. Mit anderen Worten: Energetische Sanierungen dienen gleichzeitig dazu, die Mieten an den Markt anzupassen. Dass dadurch eine höhere Rendite erzielt wird, liegt auf der Hand.

So werden die Mieter zur Kasse gebeten

Ein Beispiel aus der Studie (siehe Artikel) zeigt, wie Mieter nach Sanierungen mehr zahlen und der Eigentümer profitiert. Das Mehrfamilienhaus mit 32 Wohnungen liegt auf dem Land und gehört einer Pensionskasse. Eine Viereinhalbzimmerwohnung mit 105 Quadratmeter kostete vor der Sanierung 1210 Franken pro Monat ohne Nebenkosten. Der Block wurde für 35 Mio. Franken komplett saniert. Die Eigentümerin hat Fenster, Dach, Fassade, Böden, Küche, Bad und Heizung erneuert. Die Investitionen, die den Energieverbauch senkten, beliefen sich auf schätzungsweise 821'000 Franken. Nach der Sanierung kostet die gleiche Wohnung 1630 Franken netto, also ein Aufschlag von 420 Franken oder ca. 30 Prozent. 149 Franken der Mieterhöhung sind laut Einschätzung auf die energetische Sanierung zurückzuführen. Die Mieter sparen rund 55 Franken pro Monat an Energiekosten. Die Einsparung macht also den Aufschlag bei weitem nicht wett. Die Mieter haben zwar in der neuen Wohnung mehr Komfort, zahlen aber beträchtlich drauf.