05.06.2015
-
M+W

Susan Boos: «Die Hausbesitzer kassieren»

So war die Energiewende nicht gedacht: Hausbesitzer stecken bei Sanierungen schamlos Geld in die eigene Tasche.

Die Mieter haben die Wäsche im Trockenen, die Vermieter die Rendite.
Zoom
Die Mieter haben die Wäsche im Trockenen, die Vermieter die Rendite.

Man ahnte es, jetzt ist es Gewissheit: Hauseigentümer nutzen die Energiewende, um die Mieten in die Höhe zu treiben. Das ist fies und fatal. Rund fünfzig Prozent des gesamten Energieverbrauchs in der Schweiz werden heute für Gebäude aufgewendet – vor allem fürs Heizen und das warme Wasser. Sollte die Energiewende Erfolg haben, müsste die Schweiz den Energiekonsum bis in zwanzig Jahren um über vierzig Prozent reduzieren. Da wäre es wichtig und richtig, dass die vielen alten Häuser saniert werden, weil es unsinnig ist, durch undichte Fenster die Umgebung zu heizen.

BFE-Studie belegt den Missbrauch

Vergangene Woche hat das Bundesamt für Energie nun eine Studie publiziert, die anhand von zehn Projekten präzise belegt, dass die HauseigentümerInnen die energetischen Sanierungen missbrauchen, um danach mehr Geld aus ihren Liegenschaften herauszuholen. Sie isolieren nicht nur die Wände und installieren neue Fenster. Sie bauen gleich noch luxuriöse Bäder und Küchen ein, um die Wohnungen später wesentlich teurer auf den Markt zu bringen. Für die energetische Sanierung kassieren die Immobilienbesitzer Subventionen vom Bund – obwohl sie auch ohne diese Gelder saniert hätten. Die Mietenden bleiben auf der Strecke. Sie können sich ihre einstigen Wohnungen nach der Sanierung oft nicht mehr leisten.

Für Familien sind 100 bis 200 Franken existenzbedrohend

So war die Energiewende nicht gedacht. Das ist vielmehr eine schleichende Umverteilung von den Mietern zu den Vermietern. Eine Umverteilung, die immer mehr Menschen an den Rand der Armut treibt. Vor allem Familien mit mehreren Kindern kommen kaum mehr über die Runden, wenn sie ein Drittel des Einkommens für die Miete ausgeben müssen. Bei 5000 Franken Lohn ist jede Mietzinserhöhung von 100 oder 200 Franken existenzbedrohend. Werden Vater oder Mutter arbeitslos oder krank, ist die Familie sehr schnell nicht mehr in der Lage, ihre Rechnungen zu begleichen. Sie kann auch nicht in eine günstigere Wohnung umziehen, weil es diese Wohnungen nicht mehr gibt.

Es bräuchte mehr bezahlbaren Wohnraum, der nicht nur günstig ist, weil die Hütten verlottert sind. Und es bräuchte eine Energiewende, die den Menschen mit geringem Einkommen etwas bringt – und nicht nur den Reichen.

Susan Boos, Chefredaktorin WochenZeitung