Doris Leuthard, ein Problemfall?
Bundesrätin Doris Leuthard enttäuscht die Erwartungen der Mietenden. Sie entwickelt sich zu einem Problemfall.
Gerne zeigt sich Doris Leuthard mit erfrischenden Auftritten und einem optimistischen Lachen als bundesrätliche Strahlefrau. Auch bei schwierigen Dossiers vermittelt sie Tatkraft und Zuversicht. Das kommt bei vielen Leuten gut an. Doch jetzt trüben Wolken den heiteren Himmel. Leuthard gibt Anlass zu Sorgen, vor allem aus Sicht der Mietenden. Entwickelt sich die bekannteste Politikerin der CVP zum Problemfall?
Als Vorsteherin des Verkehr-, Umwelt- und Energiedepartementes ist Doris Leuthard zwar nicht für die Wohn- und Mietpolitik zuständig. Aber sie hat dennoch grossen Einfluss darauf. Zum Beispiel über die SBB. Die Bundesbahn gehört zu den grossen Grundbesitzern im Land. Rund 100 Quadratkilometer Land sind in ihrem Besitz. Wichtig: Es sind Grundstücke an besten Lagen in den Städten und grösseren Ortschaften. Grundstücke, auf denen sehr viele Wohnungen entstehen könnten. Vor allem günstige, die in den Städten zunehmend rar werden.
Doch gegenüber Forderungen, bei Überbauungen auch preisgünstigen Wohnraum zu schaffen stellen sich die SBB taub. Die Manager der Immobilienabteilung sind auf Rendite programmiert. Mit Wohnbaugenossenschaften arbeiten sie ungern zusammen. So sehen dann ihre Taten aus: Im Umfeld von Bahnarealen entstehen Geschäftshäuser und Bürokomplexe, aber kaum Wohnungen. Das extremste Beispiel ist die neue Zürcher Europa-Allee bei der ehemaligen Sihlpost. Ein hochverdichteter Schul-, Bank- und Bürokomplex reiht sich an den anderen. Abends wirkt die Allee trotz Restaurants ausgestorben. Städtebaulich eine fragwürdige Sache.
Doch den SBB gefällt’s, weil die Rendite stimmt. Das spült viel Geld in die Kasse. Die Immobilienbewirtschaftung brachte der Bahn letztes Jahr 211 Millionen Franken ein. 9 Prozent mehr als im Vorjahr. SBB-Chef Andreas Meyer freut sich besonders. Kommt das Geld via Immobilien herein, muss er es nicht via Preisaufschläge bei den Billetten beschaffen. Und er braucht Geld, weil die Pflege der stark beanspruchten Schieneninfrastruktur teuer ist. 150 Millionen Franken aus dem Immobilienertrag gingen in die Infrastrukturkasse. Die Immobilien sind bahnintern zur Milchkuh geworden.
Und was hat das alles mit Doris Leuthard zu tun? Die Bundesrätin ist auch oberste SBB-Chefin. Sie legt die Strategie fest. Soeben hat sie zusammen mit Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf einen Entwurf für die strategischen Ziele der Bahn 2015-2018 erarbeitet. Darin ist keine Änderung der Immobilienstrategie zu erkennen. Weiterhin sollen die SBB mit Grundstücken ein «branchenübliches Ergebnis» erzielen. Mit «branchenüblich» dürften die Renditen von Immokonzernen gemeint sein. Eine Verpflichtung, auf frei werdenden SBB-Arealen auch günstige Wohnungen zu erstellen, fehlt.
Städte wie Zürich oder Bern freut dies nicht. Sie wollen keine Bahn, die bloss Rendite bolzt, sondern eine, die städtebauliche Verantwortung wahrnimmt und bei der Lösung von urbanen Problemen mithilft. Ein bisschen weniger Rendite könne die Bahn durchaus verkraften, finden sie. Dies findet auch Leuthards Parteikollege Martin Candinas. Der CVP-Nationalrat hat ein Konzept für die Wohnpolitik der Partei erarbeitet (es stand in M&W), er setzt sich auch für tiefere Mieten ein (siehe Seite 5). Der MV Zürich hat die Debatte über die SBB-Areale schon lange angestossen und entsprechende Forderungen gestellt. Hat Doris Leuthard noch nie davon gehört?
Trumpfen Staatsbetriebe wie Konzerne auf, läuft etwas falsch
Die Bundesrätin muss jetzt Führungsverantwortung zeigen. Mehr als bei der Post. Auch dort lässt sie politische Sensibilität vermissen. Sie weigert sich standhaft, die Postmanager zur Tarifmässigung anzuhalten. Diese drehen der Mitgliederpresse durch einen massiven Preisaufschlag von 2 auf 6 Rappen pro transportiertes Zeitungsexemplar die Luft ab. Ungehindert ignorieren sie die Bedeutung der Verbandspresse für die demokratische Meinungsbildung und gefährden die Meinungsvielfalt, ohne die es keine lebendige Demokratie gibt. M&W, das auch betroffen ist, berichtete mehrmals darüber. Vor zwei Jahren intervenierten die Spitzen wichtiger Verbände von links bis rechts bei Leuthard – ohne Erfolg. Vor einem Monat reklamierten Gewerkschaften und die unabhängige Regionalpresse einen weiteres Mal. Bis jetzt keine Reaktion.
Eine SBB, die rücksichtslos Rendite maximiert, und eine Post, die nur an Gewinn interessiert ist, brauchen wir nicht. Wenn Staatsbetriebe wie Konzerne auftrumpfen, läuft etwas falsch. Sie werden zum Probemfall. Und mit ihnen auch ihre politischen Vorgesetzten.
Augenmass verlangt
Als Energieministerin ist Doris Leuthard für die Energiewende zuständig, den Umbau zu einer nachhaltigen und umweltgerechten Energieversorgung. Der Schweizerische Mieterinnen- und Mieterverband (SMV) hat gewarnt, dass die Energiewende nicht auf dem Buckel der Mietenden erfolgen darf. Ein weiteres Dossier, bei dem von der CVP-Bundesrätin soziale Sensibilität erwartet wird.
Unsere Sektionen: Ihre Ansprechpartner für Dienstleistungen & Mitgliedschaft
Als Mitglied des Mieterinnen- und Mieterverbands (MV) profitieren Sie von zahlreichen Vergünstigungen auf die Dienstleistungen unserer Sektionen, wie Mietrechtsberatung, Hilfe bei der Wohnungsabgabe und vielem mehr.
Bitte wählen Sie dazu Ihren Kanton:

- Aargau
- Appenzell-AR / AI
- Baselland
- Basel-Stadt
- Bern
- Freiburg
- Glarus
- Graubünden
- Luzern
- Nidwalden/Obwalden
- Uri
- St. Gallen
- Schaffhausen
- Schwyz
- Solothurn
- Thurgau
- Zug
- Zürich
- Tessin (ASI)
- Westschweiz (Asloca)
-
Freiburg franz. Teil
MV Deutschfreiburg oder Asloca Fribourg (französisch) öffnen?