28.02.2019
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Zürich  | 
Interview  | 
Wahlen

Unsere Community fragt, Wädi antwortet

Der MV Zürich empfiehlt seinen langjährigen Leiter Kommunikation, Walter Angst – auch Wädi genannt, zur Wahl in den Regierungsrat. Wir haben in unserer Community nachgefragt*: Was möchten Sie von Wädi wissen? Hier nun die Antworten auf die eingereichten Fragen.

Fragesteller/in anonym: Ist das vereinbar, ein Haus zu besitzen und links-grün zu wählen?
Walter Angst: Why not? Ich selber war eine zeitlang Mitbesitzer eines Mehrfamilienhauses an der Wülflingerstrasse in Winterthur, das dem Sattlermeister Angst – meinem Grossvater – gehört hat. Die Präsenz privater Vermieter hat übrigens eine stabilisierende Wirkung auf die Wohnungsmärkte. Im Gegensatz zu Anlagefonds und Pensionskassen sind viele von ihnen nicht auf rasche Renditen aus. Hinzu kommt, dass die strikte Unterteilung in Wohneigentümer und Mieter für viele Zeitgenoss/-innen nicht mehr der Realität entspricht. Es gibt Lebensphasen, in denen wir Mieterinnen und Mieter sind, und andere, in denen wir in selbstgenutztem Wohneigentum leben.

Fragesteller/in anonym: Wenn man die Möglichkeit hätte zu bauen, wie macht man das sozialverträglich? Das Land der Stadt verkaufen, einer Genossenschaft? Im Baurecht abgeben?
Es tut schon Gutes, wer als Besitzer/-in von Bauland auf einen Verkauf an den Meistbietenden verzichtet. Als Grundeigentümer hat man viele Möglichkeiten, Geld zu verdienen, ohne zum Mietzinstreiber zu werden. Die Abgabe im Baurecht an einen gemeinnützigen Bauträger ist sicher der beste Weg. Da rollte der Rubel Jahr für Jahr und die Mieterinnen und Mieter sind glücklich, weil das Wohnen bezahlbar bleibt. Wer sich dazu entscheidet, selbst zu bauen, sollte sich die richtigen Planer aussuchen, die Erfahrung haben im preisgünstigen Bauen. Bei der Festsetzung der Anfangsmieten sollte man dann noch das Mietrecht beachten. Dieses hält bekanntlich fest, dass eine Bruttorendite von mehr als 3,5 Prozent (2 Prozent mehr als der Referenzzins) missbräuchlich ist.

Frage von Housi Knecht: Wieso soll der gut funktionierende Mietwohnungsmarkt für einige wenige Privilegierte quasiverstaatlicht werden?
Ich habe in meinen 13 Jahren, die ich beim Mieterverband arbeite, noch niemanden gehört, der eine Verstaatlichung des Mietwohnungsmarkts gefordert hätte. Gefordert wird einzig, dass man bei der Festsetzung des Landwerts regulierend eingreift. Wenn der Landwert auf 25 Prozent der Baukosten beschränkt wird, wie es die Richtwerte des gemeinnützigen Wohnungsbaus vorsehen, ist das einfach nur vernünftig.
Von einem gut funktionierenden Wohnungsmarkt kann im Übrigen keine Rede sein. Wenn die vom Bundesamt für Wohnungswesen in Auftrag gegeben Nationalfonds-Studie „Wohnversorgung in der Schweiz“ zum Schluss kommt, dass „83,5 Prozent der armutsbetroffenen Haushalte und 57,1 Prozent der Haushalte in prekären Lebenslagen … keine angemessene Wohnversorgung“ aufweisen, spricht das Bände. Betroffen sind vor allem Rentner, Alleinerziehende und Working Poor. Das Problem verschärft sich übrigens stetig, weil das Angebot an Wohnungen mit Nettomieten unter 1400 Franken in den letzten 10 Jahren von 58 auf 38 Prozent zurückgegangen ist. Dieser Trend hält an.

Frage von «Der Rest von Züri West 2»: Kann die Stadt Zürich Land kaufen, das vom Verkäufer zweckgebunden verkauft wird, ohne die Stimmbevölkerung zu fragen?
Jein. Die Gemeindeordnung sagt, dass Käufe über 2 Millionen Franken dem Gemeinderat vorgelegt werden müssen - und damit auch dem fakultativen Referendum unterstehen. Es gibt zwar eine Dringlichkeitsklausel, dank der der Stadtrat solche Käufe beschliessen konnte. Diese Klausel ist jedoch nicht mehr auf die heutigen Verhältnisse zugeschnitten. Eine Anpassung, die Landkäufe wieder möglich macht, wird kommen. Das allein löst das Problem nicht. Die Verkaufsangebote sind oft zu teuer. Deshalb wird es nicht möglich sein, die Mietexplosion allein mit Landkäufen zu entschärfen.

Frage von «Der Rest von Züri West 2»: Was kann der MV gegen Immobilien-Spekulanten unternehmen? Resp. wie kann der MV Einfluss nehmen und was prophylaktisch gegen Spekulation und Mietwucher machen?
Wir nutzen alle Mittel: Das Mietrecht, die Instrumente der Raumplanung, die Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus. Das Wichtigste ist aber, das wir Öffentlichkeit schaffen und Druck machen. Mieterinnen und Mieter müssen sich in den Quartieren zusammenschliessen – so wie das zurzeit im Brunaupark geschieht, wo die Pensionskasse der CS Pläne für einen Neubau schmiedet. Die Zukunft der Quartiere steht auf dem Spiel, wenn bezahlbarer Wohnraum in dem Tempo vernichtet wird, wie das in den letzten fünfzehn Jahren der Fall war. Das geht uns alle an – auch Leute, die in selbstgenutztem Wohneigentum leben.

Fragesteller/in anonym: Was möchten Sie als Regierungsrat für den Klimaschutz tun?
Der Kanton Zürich wächst rasant. Wir müssen diese Chance nutzen, um Wohnen und Arbeiten näher zusammenbringen und den Pendlerverkehr zu reduzieren. In der Stadt braucht es viel mehr Wohnungen, die sich Polizistinnen, Krankenpfleger, Verkäuferinnen und Studierende leisten können. An den Haltestellen der Limmat-, Glatt- und Sihltalbahn braucht es neue attraktive Zentren, in denen alle gut und gerne leben. Der Anteil der gemeinnützigen Wohnungen soll nicht nur in der Stadt Zürich wachsen, sondern auch in den Städten rund um Zürich. Und zwischendrin soll es landwirtschaftliche Flächen für die Nahversorgung geben. Das ist das Programm, für eine klimaneutrale und polyzentrische Grossstadt. Dieser Vision steht die Immobilienwirtschaft im Weg. Diese müssen wir in die Schranken weisen.

Fragesteller/in anonym: Könnten Sie von heute auf morgen eine Gesetzesänderung erwirken: Welche wäre das?
Ich würde das Planungs- und Baugesetz so ändern, dass die Bevölkerung in den Gemeinden die Siedlungsentwicklung steuern können und die Profiteure des Wachstums ihren Beitrag an die Infrastrukturkosten leisten müssen. Es braucht einen Mehrwertausgleich, Mindestanteile an preisgünstigen Wohnungen und zahlbaren Wohnraum für ältere Menschen, die Pflicht zur Erarbeitung von Sozialplänen bei grossflächigen Quartiererneuerungen und einen Schutz der Innenstädte vor den sich ausbreitenden touristischen Nutzungen.

Fragesteller/in anonym: Miete und Krankenkassenprämien belasten die Haushalte immer stärker. Was möchten Sie als Regierungsrat dagegen tun?
Es braucht mehr Prämienverbilligungen, eine Kostenbeteiligung des Kantons an den ambulanten Behandlungen, eine Beschränkung der Chefarzthonorare und eine wirksame Planung des Gesundheitswesens. Und es braucht einen wirksameren Mieterschutz. Der Kanton könnte die Rechte der Mieterinnen und Mieter stärken, indem er die exorbitanten Vorschüsse limitieren würde, die vor Mietgericht geleistet werden müssen.

Fragesteller/in anonym: Wie wohnt Walter Angst und wie würde er gerne wohnen?
Walter Angst wohnt seit Anfang der 80er-Jahre in der Stadt Zürich. Immer in Wohnungen privater Vermieter. Dreimal musste ich umziehen, weil das Haus verkauft worden ist. Jetzt lebe ich mit meiner Familie in einem Renditeliegenschaft einer Pensionskasse in der Nähe der Kanti Wiedikon. Zmitzt in der Stadt und doch im Grünen, in einer wunderbar durchmischten Nachbarschaft mit Expats, Familien, Alleinerziehenden, Hüslibsitzern und einer städtischen Siedlung. Genauso wie ich mir das Wohnen vorstelle.

*Die Fragen an Walter Angst wurden im Laufe der vergangenen Woche via Webformular gesammelt. Die Beantwortung erfolgte ohne vorherige Einsicht der Fragen durch Walter Angst.