Wohnraumpolitik Luzern: Ein Scheitern droht
Der Stadtrat zieht im aktuellen Controllingbericht zur städtischen Wohnraumpolitik Bilanz zur Entwicklung der letzten Jahre und gleist gleichzeitig die Wohnraumpolitik der nächsten Jahre auf. Der Analyse der sich verschärfenden Wohnkrise steht ein grosser Optimismus angesichts der Erreichung der Ziele in der Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus gegenüber. Der MV teilt den Optimismus des Stadtrats nicht und warnt, dass ohne konsequenteres Handeln die Ziele der Initiative «Für zahlbaren Wohnraum» verfehlt werden.
Ziele beim gemeinnützigen Wohnungsbau drohen verfehlt zu werden
Tragende Säule der Luzerner Wohnpolitik ist das Ziel der 2012 angenommen Initiative «Für zahlbaren Wohnraum», den Anteil gemeinnütziger Wohnungen bis 2037 auf 16% zu erhöhen. Der Stadtrat ist gemäss Controllingbericht «erfreut, dass die Erreichung des Initiativziels bis 2037 realistisch bleibt.» Aus unserer Perspektive lässt sich dieser Optimismus nicht nachvollziehen. In der vergangenen Controllingperiode bis 2024 wurde das Ziel von rund hundert gemeinnützigen Wohnungen pro Jahr verfehlt, weshalb der Stadtrat in Zukunft 130 zu erstellende Wohnungen pro Jahr als neues Ziel vorgibt (Seite 7). In der Planung für die nächste Controllingperiode ist aber wiederum nur mit höchstens hundert Wohnungen pro Jahr zu rechnen (Ausblick, Seite 16) und auch das nur bei termingerechter Umsetzung aller Projekte. Das selbst gesetzte Ziel verfehlt der Stadtrat also um rund einen Drittel und zeigt sich darüber trotzdem «zufrieden». Erreicht werden soll das Ziel bis 2037 mit einer massiv höheren Bautätigkeit zwischen 2033 und 2037, ungeachtet der damit verbundenen Unsicherheiten und ohne Margen für absehbare Schwierigkeiten (Stichwort Altlastensanierung Vorderruopigen).
«Angesichts der sich verschärfenden Wohnungskrise muss die Umsetzungsgeschwindigkeit erhöht werden. Der Stadtrat muss sich aktiver um die Bereitstellung geeigneter Grundstücke bemühen. Dabei kann und soll es sich auch um bereits bebaute Grundstücke handeln. Der bestehende preisgünstige Wohnraum kann durch die Überführung an gemeinnützige Wohnbauträger geschützt werden.» So Daniel Gähwiler, Co-Geschäftsleiter des MV Luzern.
Falsche Prioritäten des Stadtrats
Im Controllingbericht werden die aktuellen wohnpolitischen Probleme benannt: Steigende Mietzinse, fehlender preisgünstiger Wohnraum, zu wenige Familienwohnungen und allgemeiner, sich zuspitzender Mangel an Wohnungen sowie die Herausforderung der sozialverträglichen Umsetzung der Klima- und Energiestrategie. Angesichts der Tatsache, dass viele Haushalte bis weit in den Mittelstand hinein von der Wohnkrise betroffen sind, ist es eine verpasste Chance, dass viele der neu formulierten ‘Massnahmen’ Studien- und Prüfaufträge sind. Während immer mehr Haushalte jetzt und heute mit steigenden Mieten und immer höheren Energiekosten kämpfen, will der Stadtrat beispielsweise mittels Studie bis 2028 (!) die Förderung der Sozialverträglichkeit prüfen (M6).
«Obwohl der Kernauftrag der Wohnpolitik zu scheitern droht, will der Stadtrat zusätzliche Mittel für die ‘Attraktivität Luzerns für finanzstarke Bevölkerungsgruppen’ (M7) bereitstellen. Statt für in keiner Art und Weise von der Wohnkrise betroffene Haushalte, sollen diese Mittel für die tatsächlich betroffenen Haushalte verwendet werden» So Daniel Gähwiler weiter.
Weiteres Potential liegt im Einbezug Privater. Wie der Controllingbericht festhält, steigen ausserhalb des gemeinnützigen Wohnbausektors die Mietpreise stark an und zwar auch im Bestand, beispielsweise bei Altbauten. Gerade Institutionelle Akteure nutzen Energetische Sanierungen und/oder Verdichtungspotential zu umfassenden Sanierungen mit Leerkündigungen oder Ersatzneubauten, die zu deutlich höheren Mietzinsen führen und daher wenig sozialverträglich sind (Seite 20). Der MV unterstützt die Stossrichtung des Stadtrats, gemeinnützige Wohnflächen auch bei privaten Projekten einzuplanen. Neben dem vom Stadtrat skizzierten Vorgehen, nach Ein-, Auf- oder Umzonungen einen Mindestanteil von 50% der zusätzlichen Wohnfläche gemeinnützig zu machen, ist ein solches Vorgehen auch bei Sanierungen oder Ersatzneubauten möglich, wo preisgünstiger Wohnraum ansonsten ersatzlos verloren geht. Damit dies Wirkung entfalten kann, muss die Umsetzung sicherlich handfester sein, als durch das vom Stadtrat angedachte Merkblatt (DA7, Seite 30).
«Am meisten preisgünstiger Wohnraum verschwindet durch Renditesanierungen und Ersatzneubauten. Private müssen in die Pflicht genommen werden und Mindestanteile gemeinnützigen Wohnraums sind ein guter Kompromiss zwischen Sozialverträglichkeit und Eigentumsrechten.» So Daniel Gähwiler. Als Beispiel kann die Stadt Bern genannt werden, wo seit vier Jahren eine «Preisgünstigkeitsverpflichtung» in der städtischen Bauordnung in Kraft ist.
Umsetzung Bevölkerungsantrag an die Hand nehmen
Der Controllingbericht nimmt auch Bezug auf die Umsetzung des MV-Bevölkerungsantrags «Preisgünstiger Wohnraum muss erhalten bleiben», der vom Grossen Stadtrat als Motion überwiesen wurde (Seite 41). Angesichts der mehrmals im Bericht ausgeführten Schwierigkeiten, mit welchen die Mieter:innen in der Stadt Luzern konfrontiert sind, sind die Massnahmen des Bevölkerungsantrags eine griffige Sofortmassnahme, bis die vom Stadtrat gewünschten Studien und Prüfaufträge wirksam werden.
«Statt den Schutz des preisgünstigen Wohnraums gegen die Erstellung gemeinnützigen Wohnraums auszuspielen, soll der Stadtrat alles daransetzen, die bereits bestehende und sich zuspitzende Wohnkrise zu entschärfen. Dazu gehört eine rasche und griffige Umsetzung des Bevölkerungsantrags für den Erhalt des zahlbaren Wohnraums.» So MV Co-Geschäftsleiter Daniel Gähwiler.
Stärkung der GSW notwendig und zu begrüssen
Auch in der Wohnraumversorgung für einkommensschwache Haushalte und Haushalte mit Zugangsproblemen zum Wohnungsmarkt konnten die Ziele in der vergangenen Controllingperiode nicht erreicht werden. Statt wie geplant über 450 Wohnungen verfügt die GSW Ende 2023 nur über 387 Wohnungen. Der MV begrüsst die vom Stadtrat vorgeschlagenen Massnahmen zur Stärkung der GSW. Da das Hauptproblem für das Wachstum der GSW die hohen Bodenpreise sind, bleibt aber abzuwarten, ob damit die zusätzlichen rund 120 Wohnungen bis 2032 realisiert werden können. Angesichts der sich verschärfenden Wohnkrise ist auch fraglich, ob die bis 2032 projektierten 500 GSW-Wohnungen ausreichend sind.
MV Medienmitteilung zum Controllingbericht
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