29.11.2021
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MV  | 
Medienmitteilung

Mieterverband kritisiert Salamitaktik und drohenden Abbau des Mieterschutzes

Das Mietrecht droht ausgehöhlt zu werden. Denn das bürgerlich dominierte Parlament hat eine ganze Batterie von Initiativen angenommen - alle von der Immobilienlobby initiiert. Diese Vorstösse sollen in verschiedenen Gesetzentwürfen umgesetzt werden. Der Mieterinnen- und Mieterverband (MV) wehrt sich in seiner Vernehmlassungsantwort klar gegen diese Verschlechterungen.

Das Mietrecht wird von bürgerlicher Seite frontal angegriffen. Kommen die Vorschläge durch, drohen Mieter*innen in der Schweiz künftig zahlreiche Verschlechterungen beim Mieterschutz. Das ungleiche Kräfteverhältnis zwischen Mieter*innen und Vermieter*innen würde sich weiter akzentuieren, da einseitig die rechtliche Position der Vermieterseite gestärkt wird. Besonders gefährlich sind aus Sicht der MV folgende parlamentarische Initiativen:

  1. Verschlechterungen bei der Untermiete (15.455, Egloff, SVP)
  2. Vereinfachte Kündigungsmöglichkeiten wegen Eigenbedarf (18.475, Merlini/Markwalder, FDP)
  3. Anfechtung Anfangsmietzins: Einschränkung auf persönliche/familiäre Notsituation (16.451, Egloff, SVP)
  4. Anfechtung Anfangsmietzins: Verstärkung der orts- und quartierüblichen Mieten (17.493, Egloff, SVP)

Aufteilung der Vorlage erschwert Gegenwehr der Mieterseite

Die von der Immobilienlobby initiierten Initiativen werden nicht alle gleichzeitig behandelt, was ungewöhnlich ist, da alle das Mietrecht betreffen und gleichzeitig behandelt werden könnten. Die Rechtskommission des Nationalrates hat jedoch entschieden, in einem ersten Paket der Mietrechtsrevision nur vier der insgesamt sechs parlamentarischen Initiativen umzusetzen, und zudem noch in drei verschiedenen Gesetzesvorlagen.

Darunter fallen gesetzliche Regeln zur Untermiete (Vorlage 1) und zur Kündigung bei Eigenbedarf (Vorlage 3), welche die Situation für die Mieter*innen verschlechtern würden. Die Initiativen zur Anfechtung des Anfangsmietzinses sind nicht Teil der aktuellen Vernehmlassung. Sie sollen zu einem späteren Zeitpunkt in einem Gesetzesentwurf umgesetzt werden.

«Wir verurteilen diese Salamitaktik, sprich die Aufsplittung in verschiedene Pakete, scharf, denn für die Mieterseite werden damit unzulässige direktdemokratischen Hürden aufgebaut», sagte MV-Präsident Carlo Sommaruga. «Wir fordern deshalb, dass die Revision nach der üblichen Praxis durchgeführt wird, d.h. durch eine einzige Vorlage, die alle revidierten Artikel integriert.»

Untermiete: Kündigung wegen Formalitäten?

In seiner Vernehmlassungsantwort zum Teil 1 der Mietrechtsrevision wehrt sich der MV gegen Verschlechterungen bei den Regeln zur Untermiete. Er möchte u.a. verhindern, dass das Versäumnis, eine vorherige schriftliche Zustimmung zur Untervermietung einzuholen, neu die höchste Sanktion im Mietrecht erhält, nämlich die Kündigung des Mietverhältnisses innerhalb einer sehr kurzen Frist. «Wir sprechen hier von Menschen, die innerhalb weniger Wochen aufgrund einer blossen Formalität ihr Zuhause verlieren könnten. Diese Sanktion ist unverhältnismässig», so Sommaruga.

Kündigung wegen Eigenbedarf: Vermieterseite erhält noch mehr Rechte

Die vorgeschlagene Gesetzesrevision sieht auch eine Einschränkung des Mieterschutzes bei der Kündigung wegen Eigenbedarfs durch die Vermieterschaft vor. Der Eigenbedarf muss künftig nicht mehr «dringlich» sein. Aktuell nimmt in der Praxis das Gericht in solchen Fällen eine echte Interessenabwägung zwischen den Anliegen der Mieter- und Vermieterseite vor. Künftig würde diese Abwägung immer zugunsten der Vermieterseite ausfallen, auch wenn die Situation der Mieterseite prekär ist. «Man denke hier an eine ältere Person oder Familie, die schon lange in ihrer Wohnung wohnt, aus der sie geräumt werden würde. Da die Mieterschaft im Mietvertrag sowieso bereits die schwächere Partei ist, ist diese Verschlechterung sehr problematisch», kritisierte Sommaruga. «In der Praxis wird der Eigenbedarf bereits heute oft nur geltend gemacht, um einen Mieter bzw. eine Mieterin loszuwerden und die Wohnung zu einem höheren Mietpreis weiterzuvermieten.»