16.11.2020
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MV  | 
Medienmitteilung

Bundesgerichtsentscheid führt zu höheren Mieten bei Wohn- und Geschäftsräumen

Das Bundesgericht hat heute ein neues Urteil publiziert, welches eine Praxisänderung bei der Berechnung der Nettorendite bei den Mietzinsen von Wohn- und Geschäftsräumen vorsieht. Neu ist für Immobilienbesitzer*innen eine mehr als doppelt so grosse Rendite zulässig als heute. Der Mieterinnen- und Mieterverband Schweiz (MV) kritisiert diesen immobilienfreundlichen Entscheid scharf. Der Verband bekämpft zudem im Parlament einen ähnlich gelagerten Vorstoss zur Erhöhung der Rendite. Das Urteil und der Vorstoss würden zu noch höheren Mieten in der Schweiz führen.

In seinem Urteil vom 26. Oktober 2020 (4A 554/2019) ändert das Bundesgericht die Berechnung des zulässigen Anfangsmietzinses von Wohn- und Geschäftsräumen anhand der Nettorendite. Als zulässig - d.h. nicht missbräuchlich - gilt künftig ein Ertrag, der 2 % über dem Referenzzinssatz liegt (solange der Referenzzinssatz 2 % oder weniger beträgt). Das entspricht mehr als einer Verdopplung der Rendite gegenüber der bisherigen Rechtsprechung. Beim aktuellen Referenzzinssatz von 1.25 % durfte die Rendite 1.75 % hoch sein; mit der neuen Rechtsprechung dürfte die Nettorendite bei 3.25 % liegen.

«Ein Berechnungsbeispiel des Mieterinnen- und Mieterverbands zeigt, dass bei einem Mehrfamilienhaus von 4 Wohnungen der zulässige Mietzins pro Wohnung nach bisheriger Rechtslage CHF 1344.00 monatlich betragen dürfte. Bei einer Nettorendite von 3.25 % wäre hingegen ein monatlicher Mietzins in Höhe von CHF 1979.00 zulässig. Dies entspricht einer Erhöhung der Miete von CHF 635.00 monatlich oder CHF 7608.00 jährlich», sagte MV-Präsident Carlo Sommaruga.

Massive Profite der Immobilienbesitzer*innen

Das Bundesgericht begründet seinem Entscheid damit, dass die Rendite für Pensionskassen und die übrigen Immobilienbesitzer*innen zu klein sei. «Das ist ein politischer Entscheid des Bundesgerichts», kommentierte Sommaruga das Urteil. Denn ökonomisch sieht es folgendermassen aus: Die heutige Rechtsprechung garantiert dem Anleger mit den Wohnimmobilien sichere und stabile Renditen, dies im Gegensatz zu Aktieninvestitionen, Obligationen oder Bankkonten, die entweder höhere Risiken oder tiefe bis negative Zinsen haben.

«Es ist zudem eine katastrophale, immobilienfreundliche Argumentation», so Sommaruga. «Die Mieten in der Schweiz sind seit anfangs der 1990er Jahre unaufhörlich gestiegen und die Immobilienbesitzer*innen haben auf dem Buckel der Mieter*innen in den letzten Jahren massive Profite erwirtschaftet.» Berechnungen der Raiffeisenbank ergaben, dass die Mieten heute rund 40 % höher sind, als sie nach Mietrecht sein sollten.

Zahlreiche rechtswidrige Mieten bleiben ein Problem

Gemäss geltendem Recht ist ein Mietzins missbräuchlich, wenn damit ein übersetzter Ertrag erzielt wird (Art. 269 OR). Das Urteil des Bundesgerichts ändert nichts an der Tatsache, dass in der Schweiz seit Jahren viele Mieten den Vermieter*innen einen übersetzten Ertrag verschaffen und damit rechtswidrig sind. Der MV unterstützt weiterhin seine Mitglieder, dass sie sich gegen diese rechtswidrigen Mieten zur Wehr setzen.

Ständerat entscheidet am 15.12. über Erhöhung der Rendite

«Pikant ist, dass der Entscheid des Bundesgerichtes knapp zwei Wochen vor der Wintersession des Parlaments fällt, wo der Ständerat die Initiative des FDP-Immobilienvertreters Olivier Feller debattieren wird», sagte Sommaruga. Diese fordert ebenfalls eine massive Erhöhung der Rendite der Vermieterseite. Diesen Vorstoss bekämpft der MV heftig. Der Verband hat bereits angekündigt, dass er, falls diese Initiative der Immobilienlobby durchkommt, das Referendum ergreifen wird, um diese massiven Verschlechterungen für die Mieterseite zu bekämpfen.

Schutz von Mieter*innen gerade in Corona-Krise besonders wichtig

Der MV fordert vom Ständerat dringend, die Initiative Feller abzulehnen. Dies wäre auch ein wichtiges Zeichen an das Bundesgericht, seinen Entscheid künftig wieder zu korrigieren. «Insbesondere in Corona-Zeiten, wo Tausende Geschäfts- und private Mieter*innen unverschuldet in finanzielle Schwierigkeiten gekommen sind und Mühe haben, ihre Mieten zu bezahlen, ist es völlig absurd, die Renditen der Immobilienseite und damit die Mieten zu erhöhen», so Sommaruga. Dass die Mieten zu hoch sind, das sieht auch die Schweizer Bevölkerung so. In einer kürzlich publizierten Studie des Bundesamtes für Wohnungswesen sagten 91% (!) der Befragten, dass die Mietpreise in der Schweiz generell oder teilweise zu hoch seien.