Wuchermieten: Mängel einklagen wirkt
Zürich geht gegen Wuchermieten vor. Mit Erfolg, wie sich jetzt zeigt.
Die Stadt Zürich hat ein Exempel statuiert. Im letzten Oktober nahmen die Justizbehörden den Vermieter und Immobilienhändler S. in Untersuchungshaft. Dieser nützt die Wohnungsnot aus und vermietet Zimmer und Wohnungen in heruntergekommenen Liegenschaften an Sozialhilfeabhängige. Und zwar zu übersetzten Preisen: Die Logen kosten genau so viel, wie das Sozialamt maximal an Wohnzuschüssen zahlt. Es handelt sich um Beiträge in der Höhe von rund 1100 Franken pro Monat.
Zerbrochene Lavabos, kaputte Toiletten
Eine Razzia der Polizei brachte bedenkliche Zustände ans Licht. In den Wohnungen gibt es zerbrochene Lavabos, kaputte Tapeten und nicht mehr funktionierende WCs und Kücheneinrichtungen. An den Wohnungen wurde jahrelang nichts gemacht. Sie sind allesamt dringend renovationsbedürftig. Das Geschäftsmodell des Vermieters ist offenbar lukrativ. Er besitzt eine Villa an der Goldküste und fährt teure Sportwagen. «In Zürich gibt es Hundert von ähnlichen Liegenschaften», sagte Walter Angst, Sprecher des MV Zürich, im grossen M&W-Interview (siehe M&W 9/2015).
Die randständigen Mieter können sich schlecht wehren. Dies hat Zürichs Sozialbehörde dazu veranlasst, ihre «Klienten» zum Kampf gegen Wuchermieten zu ermächtigen. Formell sind die Sozialhilfeabhängigen die Mieter der Schmuddelwohnungen und nicht die Sozialbehörde. Daher müssen sie selbst gegen den Vermieter vorgehen. Zwei von ihnen haben nun mit Hilfe der Rechtsanwältin und Mietspezialistin Anita Thanei den Mietzins hinterlegt. Sie verlangen die Behebung der vielen Mängel sowie rückwirkend auf 1. Januar 2015 eine Mietreduktion von 60 Prozent.
Wucher-Vermieter weist Vorschlag der Schlichtungsstelle ab
Bereits hat eine Verhandlung vor Schlichtungsstelle stattgefunden, wie Thanei bestätigt. Dabei erschien Vermieter S. nicht selber. Er liess sich durch einen Verwalter vertreten. Laut Thanei ist die Schlichtungsbehörde den Anträgen der Mieter gefolgt und hat einen Urteilsvorschlag unterbreitet. Dies ist ein Erfolg und zeigt, dass das Verfahren der Mietzinshinterlegung durchaus ein taugliches Mittel im Kampf gegen Verlotterung und Wuchermieten ist. Allerdings wehrt sich S.: Er akzeptiert den Vorschlag der Schlichtungsstelle nicht. Damit kommen die Gerichte zum Zug. Vorher spekuliert S. auf eine aussergerichtliche Einigung. Ob eine solche zustande kommt, ist jedoch offen.
S. hat allen Mietenden in den beiden Liegenschaften in Bahnhofsnähe gekündigt. Wegen «dringendem Sanierungsbedarf». Diese Kündigungen sind zumindest im Fall der beiden klagenden Mieter ungültig, da sie während eines laufenden Verfahrens erfolgten. Es zeigt sich, dass ein Wucher-Vermieter wohl zur Rechenschaft gezogen werden kann. S. muss sich vor dem Strafrichter wegen Wuchers verantworten. Doch das Problem der fehlenden, preisgünstigen Unterkünfte für Benachteiligte und Randständige ist damit noch nicht gelöst.
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