Sanierungen: Mieter zahlen oft zu hohe Kosten
Die bei Sanierungen geltenden Überwälzungssätze müssen dringend nach unten korrigiert werden.
Zwei Jahre dauerte der Kampf der zweihundert Schlössli-Mietenden. Dann hatten sie einen schönen Erfolg zu verbuchen: Sie konnten die geforderte Mietzinserhöhung von 300 Franken für eine Dreieinhalbzimmerwohnung und von 500 Franken für eine Fünfeinhalbzimmerwohnung deutlich reduzieren. Die Siedlung in St.Gallen gehört der Swisslife. Sie sollte 2006 durchgreifend renoviert werden. Nicht nur neue Küchen und Bäder, sondern auch Fenster, Leitungen und eine neue Fassade standen auf dem Programm. Insgesamt investierte die Swisslife 26 Mio. Franken.
Klare Definition für wertvermehrende Investitionen
Der Streit entstand wegen der Überwälzungssätze. Die Swisslife wollte nämlich 60% der Investitionen auf die Mieten schlagen. Sie behauptete, so viel an der Sanierung sei wertvermehrend. Bekanntlich darf ein Eigentümer bei einer Renovation nur wertvermehrende Investitionen auf die Mieten überwälzen. Was Unterhalt oder nur Nachholbedarf ist, ist bereits durch die Miete abgegolten. Dabei berief sich die Swisslife auf die Faustregel in der Mietverordnung. Danach können bei Gesamtsanierungen in der Regel 50 bis 70% der Investitionen als wertvermehrend angerechnet werden (siehe Box).
Diese Faustregel ist jedoch unangemessen, wenn nicht gar grundfalsch. Sie bevorzugt den Investor und benachteiligt die Mieter, indem sie dem Vermieter eine bessere Rendite und die Bewohnern überrissene Folgemieten bringt. Das zeigt sich in all den Fällen, wo genau nachgerechnet wird. Auch im Fall Schlössli. Vor Gericht verlangten die Mieter, dass die Swisslife eine detaillierte Kostenabrechnung vorlege, die es ermöglicht, rein werterhaltende von den wertvermehrenden Arbeiten zu trennen und so den zulässigen Mietaufschlag zu berechnen.
Höchstens 30 bis 50 Prozent sind angemessen
Weil das aber eine komplizierte und aufwendige Sache ist, lehnte der Richter am St.Galler Kreisgericht diese Forderung ab. Aber er erkannte aufgrund der vorliegenden Unterlagen schnell, dass 60% oder gar 70% Kostenüberwälzung, wie sie die Swisslife im Verlauf des Prozesses forderte, zu viel sind. Schliesslich legte er einen reduzierten Satz von 50% fest und reduzierte entsprechend die Mietzinserhöhung. Die Schlössli-Mieter hatten mit Hilfe des MV die Baukosten der ersten Etappe genau unter die Lupe genommen. Die geschätzten wertvermehrenden Anteile waren viel tiefer als behauptet.
Zum Beispiel die Fassade und die Aussendämmung. Diese wurde von 5 auf 20 cm vergrössert. Nach Ansicht der Mieter konnten hier maximal 7% als wertvermehrend angesehen werden. Bei der Küchenerneuerung waren es maximal 3 Prozent, beim Lift 1%. Grössere Anteile wie die neuen Elektroinstallationen, die neue Heizung oder viele Arbeiten der Schreiner, Maler und Gipser stellten gar keine Wertvermehrung dar, sondern waren lediglich Unterhalt. In ihrer Rechnung kamen die Mieter auf lediglich 27% statt der geforderten 60% Wertvermehrung. Die Mieter hätten sogar eine Pauschale von 35% akzeptiert. Doch das wollte die Swisslife nicht. Hugo Wehrli, Geschäftsleiter des MV Ostschweiz, erinnert sich: «Da ging der Richter einfach an die unterste Grenze der Faustregel und legte eine Pauschale von 50% fest.»
Millionen landen ungerechtfertigt in den Taschen der Vermiete
Der Schlössli-Streit ist kein Einzelfall. Vor vier Jahren wehrten sich auch die Mieter in Riehen BS gegen überrissene Mietaufschläge infolge einer Sanierung. In der Siedlung am Gstaltenrainweg und im Niederholzboden wurden in den Jahren 2010/11 Fenster, Luft, Dach, Fassade und Kellerdecken erneuert. Zuvor war die Autoeinstellhalle erneuert worden. Die Besitzerin, eine Anlagestiftung, steckte 8,2 Mio. Franken in den Umbau. Sie wollte 55% der Kosten überwälzen, was zu einem Mietanstieg von mehr als zwei Franken pro Quadratmeter und Monat geführt hätte. Eine Vierzimmerwohung, die vorher 1250 Franken pro Monat gekostet hatte, hätte sich um 234 Franken verteuert.
Auch hier ergab eine genauere Analyse der Bauarbeiten durch einen Fachmann, dass weit weniger Anteile als behauptet wertvermehrend waren. Vor dem Zivilgericht Basel-Stadt hatte dann die Eigenümerin ziemlich schlechte Karten. Deshalb willigte sie auch in einen Vergleich ein. Statt 234 Franken betrug der Aufschlag jetzt nur noch gut 50 Franken. Die Anfechtung hatte sich also gelohnt. Aufgrund solcher Fälle hat der Mieterverband schon lange neue, tiefere Überwälzungssätze gefordert. Jetzt hat das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) endlich geschaltet. Es will den Problemkomplex überprüfen lassen.
Bund fördert Sanierungswelle im Zuge der Energiestrategie
Die Sache ist dringend. Nicht bloss, weil seit geraumer Zeit eine Sanierungswelle durchs Land rollt, die den betroffenen Mietenden regelmässig höhere Mieten beschert. Sondern auch deshalb, weil der Bund Gebäudesanierungen aus Umwelt- und Energiespargründen fördert.
Mit Studien anhand von Praxisbeispielen sollen nun die Grundlagen für neue, realistische Überwälzungssätze erarbeitet werden. Bleibt zu hoffen, dass sich das BWO durch den zu erwartenden Widerstand der Hauseigentümer nicht beeindrucken lässt. Millionenbeträge wandern jährlich ungerechtfertigt in die Taschen der Vermieter, bloss weil zunehmend Sanierungen zur Steigerung der Rendite missbraucht werden. Möglich machen dieses üble Spiel überhöhte Überwälzungssätze in der Mietverordnung. Diese müssen schnellstens nach unten angepasst werden.
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