Munotstadt, bitte endlich erwachen!
Wird in Schaffhausen endlich mehr für günstige Wohnungen getan? Eine Abstimmung über vier Initiativen wird es zeigen.
Schaffhausen liegt zwar am Rand der Schweiz. Doch immer stärker macht sich auch dort der vom Ballungszentrum Zürich ausgehende Druck bemerkbar. Und zwar in Form von steigenden Mieten. Eine Studie beweist das: Zwischen 2005 und 2014 stiegen die Mieten der ausgeschriebenen Wohnungen um 19 und jene der bestehenden Wohnungen um 17 Prozent. Das ist überdurchschnittlich und zeigt, wie die Munotstadt immer mehr in den Sog der expandierenden Agglomeration Zürich-Winterthur gerät.
Schaffhauser Wohnungsmieten erreichen Basler Niveau
Mit 0,5 Prozent ist der Leerwohnungsbestand tief. Wer in Schaffhausen eine Wohnung sucht, kann zwar Glück haben und eine Bleibe zu einem vernünftigen Preis finden. Im Vergleich mit anderen Kantonen sind die Mieten hier noch verhältnismässig moderat. Doch man muss nicht besonders scharfsichtig sein, um die dunklen Wolken am Horizont zu erkennen. Bald wird Schaffhausen zu den Wohnungsnot-Städten gehören, wenn nicht Gegensteuer gegeben wird.
Genau dies wollen vier Volksinitiativen tun, über welche die Stimmberechtigten der Stadt am 24. April befinden können. Sie stammen von der SP, den Juso und der Alternativen Liste, also von links (siehe Box). Und sie zielen auf den gemeinnützigen Wohnungsbau ab. «Von allen hat die Juso-Initiative sicher am meisten Biss», sagt Jürg Tanner, Anwalt und Präsident des MV Schaffhausen. Sie verlangt nämlich, dass die Stadt selber günstige Wohnungen bauen soll. Mindestens 200 in den nächsten fünf Jahren sollen es sein, so die klare Forderung. Aber auch die SP fordert mehr günstige Wohnungen. Ihre Initiative setzt ein Ziel: Bis 2040 sollen in Schaffhausen mindestens 14 Prozent der Wohnungen gemeinnützig sein.
«Wir befürworten diese Initiativen und werden sie mit einer eigenen Kampagne unterstützen», sagt Jürg Tanner. Das ist für den kleinen MV Schaffhausen ein Novum. Bisher hat er sich noch nicht stark in der Öffentlichkeit engagiert. Dies, weil seine Mittel limitiert sind. Tanner meint, die Stadt müsse endlich etwas für bezahlbare Wohnungen tun: «Bis jetzt blieb sie auf diesem Gebiet total passiv und überliess alles dem privaten Markt.» Die Initiativen würden deshalb eine dringend notwendige Diskussion anstossen. Tanner: «Wir dürfen nicht warten, bis wir hier einen Mietnotstand wie in Zug oder Zürich haben.»
«Die Stadt blieb bis jetzt total passiv.»
Die wohnpolitische Sensibilität im Schaffhauser Rathaus scheint noch ausbaufähig. Zumindest was die bürgerliche Mehrheit betrifft. Zwar hat sich die Behörde einlässlich mit dem Wohnproblem befasst. Davon zeugt ein 50seitiger Bericht mit vielen Tabellen und Analysen. Doch was am Ende rauskommt, ist nicht eben grossartig. Der Stadtrat und auch die Mehrheit des Stadtparlaments lehnen die Initiativen ohne Gegenvorschlag ab. Es soll nicht mehr getan werden als bisher. Wer den Bericht liest, kommt um den Eindruck nicht herum, er sei nur in der Absicht geschrieben worden, möglichst viele Argumente gegen die Volksbegehren aufzulisten.
Hauptargument sind die Kosten. Der Bau eigener Wohnungen sei zu teuer und würde die Stadt auf untragbare Weise verschulden. Jedoch ist die Rechnung ziemlich schief. Jürg Tanner musste bei der Lektüre den Kopf schütteln: «Es werden nur die Kosten für die Investitionen berücksichtigt. Dass diesen auch ein Ertrag für die Stadt gegenübersteht, wird völlig vergessen.» Auch macht der Stadtrat in Pessismus und meint, es sei sehr unrealistisch, das Ziel von 14 Prozent gemeinnützigen Wohnungen zu erreichen, weil viele Genossenschaften überaltert seien und Nachfolgeprobleme hätten.
Laut Jürg Tanner gibt es tatsächlich schlafende Genossenschaften. Doch andere wiederum seien aktiv oder könnten dies vermehrt sein, wenn geeignete Förderinstrumente zur Verfügung stünden. Zudem verweist er auf potente auswärtige Wohnbaugenossenschaften. Diese könnten durchaus ein Interesse haben, sich auch in Schaffhausen zu engagieren. Derzeit gibt es 15 Gemeinnützige mit 775 Wohnungen. Damit sind lediglich 6 Prozent des örtlichen Wohnungsbestands gemeinnützig. Das ist vergleichsweise wenig. Oder anders gesagt: Das Potenzial nach oben ist gross. Rund 1'280 Wohnungen müssten nach Berechnung des Stadtrats gebaut werden, um die von der Initiative verlangte Quote zu erreichen.
In Luzern, Zürich und Bern wurden ähnliche Volksinitiativen mit klaren Richtwerten angenommen. Es stellt sich die Frage, weshalb in Schaffhausen nicht möglich sein soll, was in andern Städten bereits Praxis ist. Offensichtlich braucht es noch ein gehöriges Umdenken und ein Abschied von antiquierten Vorstellungen. Solche demonstriert der Stadtrat selber, indem er unterschwellig die Ansicht äussert, mehr günstiger Wohnraum bringe nur mehr Sozialhilfebezüger in die Stadt. Ein altes Vorurteil, das auf einem tiefsitzenden Unverständnis gegenüber der genossenschaftlichen Tätigkeit beruht. Da kann es nur heissen: Munot, erwache!
Vier Volksinitiativen für mehr günstige Wohnungen
Am 24. April können die Stimmberechtigten der Stadt Schaffhausen über vier Initiativen zur Wohnpolitik abstimmen.
- Die Juso-Initiative «Für bezahlbaren Wohnraum» verlangt den Bau von 200 Wohnungen mit Kostenmiete in den nächsten fünf Jahren.
- Die SP-Initiative «Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus» verlangt eine Erhöhung des Anteils der gemeinnützigen Wohnungen auf mindestens 14 Prozent bis zum Jahr 2040.
- Die zwei Initiativen der Alternativen Liste (AL) zur Bodenpolitik und zum Liegenschaftenerwerb verlangen einerseits das fakultative Referendum für Landverkäufe ab 1 Mio. Franken und anderseits, dass die Erträge aus Baurechtszinsen dem Rahmenkredit für Landerwerb gutgeschrieben werden.
Der MV Schaffhausen sagt zu allen vier Vorstössen Ja.
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