09.07.2015
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MV  | 
Medienmitteilung

Energiewende aus Mietersicht: Jetzt handeln!

An der gemeinsamen Fachtagung haben der Schweizerische Mieterinnen- und Mieterverband SMV und die Schweizerische Energie-Stiftung SES die Diskussionen um die Energiewende auf der einen und die Erhöhung der Wohnkosten auf der anderen Seite zusammengeführt.

Im Schweizer Gebäudepark steckt ein gewaltiges Energiesparpotential. Dieses soll über eine Erhöhung des Anteils energetischer Sanierungen abgerufen werden. Damit dieses Vorhaben gelingt und damit die Ziele der Energiestrategie 2050 erreicht werden, muss eine faire Kostenteilung für Mietende, VermieterInnen und öffentliche Hand gefunden werden. An der Fachtagung «Die Energiewende aus Mietersicht – eine Auslegeordnung» von letztem Freitag wurden die Herausforderungen identifiziert und der politische Meinungsfindungsprozess angestossen. Für die Veranstalter ist klar: In dieser Frage besteht Diskussions- und Handlungsbedarf.

An der gemeinsamen Fachtagung haben der Schweizerische Mieterinnen- und Mieterverband SMV und die Schweizerische Energie-Stiftung SES die bislang getrennt geführten Diskussionen um die Energiewende auf der einen und die Erhöhung der Wohnkosten auf der anderen Seite zusammengeführt. An der mit 150 Personen gut besuchten Fachtagung wurde klar: Die Kosten für energetische Sanierungen sind meist höher als die Reduktionen bei den Heiznebenkosten, was netto zu einer Erhöhung der Mietkosten führt. Die geplante Erhöhung der Rate energetischer Sanierungen in der Schweiz funktioniert dementsprechend nur, wenn eine faire Kostenteilung zwischen den Parteien gefunden werden kann. «Wir wollen verhindern, dass die Interessen der Mieterinnen und Mieter gegen die Umwelt – und die Interessen der Umwelt gegen die Mieterinnen und Mieter – ausgespielt werden», bringt es Balthasar Glättli, Grüner Nationalrat und Vizepräsident des SMV, auf den Punkt.

Energetische Sanierungen: Chancen überwiegen Risiken klar

Unbestritten ist, dass energetische Gebäudesanierungen zu den wichtigsten Pfeilern der Energiewende gehören. «Aus wirtschaftlicher Sicht überwiegen die Chancen einer energetischen Sanierung klar gegenüber den Risiken», so das Fazit von Flavio Ravani von der Swissrenova AG Totalunternehmung, der in seinem Referat die Investorensicht beleuchtete. Auch Michel Wyss, Immobilienbewirtschafter und Berater beim Hausverein Schweiz, sieht in energetischen Sanierungen eine Win-win-Situation für beide Parteien – speziell, wenn man die zukünftige Entwicklung des Heizölpreises mitdenkt.

Ungleiche Lastenverteilung korrigieren

Aktuell liegt die energetische Sanierungsrate im Schweizer Gebäudepark bei einem Prozent. Alter und Zustand der Liegenschaft sind für den Sanierungsentscheid dabei das wichtigste Kriterium. Wenn Vermieter sanieren, dann ist dies wirtschaftlich meist rentabel. Carlo Sommaruga, Vizepräsident SMV und SP-Nationalrat, erklärt den Zusammenhang mit der Energiestrategie des Bundesrates wie folgt: «Eine energetische Sanierung schafft Gelegenheit für Missbrauch in Form einer unverhältnismässigen Mietzinserhöhung.» Verschiedene Referenten haben denn einen Missbrauch in der aktuellen Kostenüberwälzungspraxis festgestellt. «Die ungleiche Lastenverteilung bei Sanierungen muss zu Gunsten der Mieterinnen und Mieter korrigiert werden,» fordert Beat Züsli, Energie-Ingenieur und Vorstands-Mitglied SMV.

Wohn- und sozialpolitisch gerechte Umsetzung

Die Fachtagung hat gezeigt, dass es Lösungen braucht um die Energiewende wohn- und sozialpolitisch gerecht umzusetzen. Diskutierte Ansätze und Forderungen sind:

  • Änderungen im Mietrecht (Reduktion des Überwälzungssatzes bei umfassenden Sanierungen),
  • Vollzug des bestehenden Mietrechts verbessern,
  • eine Anpassung der Anreize des Bundes, sprich eine Erhöhung des Gebäudeprogramms,
  • mehr Transparenz gegenüber den MieterInnen (über die Art der Sanierung aber auch über den Zustand des Gebäudes, sprich GEAK-Pflicht),
  • Einführung eines Erneuerungsfonds in Mietliegenschaften,
  • Förderbeiträge an Bedingungen knüpfen (wie z.B. keine Leerkündigungen)
  • oder wie es Barbara Steenbergen, Vertreterin der internationalen Mieterallianz IUT anhand eines Modells aus Schweden darstellte: eine Pflicht für Vermieter, die Wohnungen warm zu vermieten, d.h. die Mieten enthalten die Heizkosten bereits.

Es besteht Handlungsbedarf. Denn die Energiewende im Gebäudebereich ist nur mit der Akzeptanz der Mieterinnen und Mieter zu schaffen.

 

Die Referate der Fachtagung finden Sie auf der Website der Schweizerischen Energie-Stiftung unter folgendem Link: http://bit.ly/1giNRmk

Mehr Informationen:

Florian Brunner, SES-Projektleiter Fossile Energien & Klima
Tel.: 044 275 21 21
Mobile: 079 589 47 75
Mail: florian.brunner@energiestiftung.ch

Balthasar Glättli, Vizepräsident SMV
Mobile: 076 334 33 66
Mail: balthasar.glaettli@smv-asloca-asi.ch

Grosses Energiesparpotenzial in Mietshäusern Gut die Hälfte des gesamten Energieverbrauchs und 40% des CO2-Ausstosses stammen aus dem Schweizer Gebäudepark. Das Energiesparpotenzial bei Gebäuden ist riesig, es wird auf bis zu 60% geschätzt. Wichtigste Massnahmen sind die Reduktion der Heizenergie für Raumwärme und Warmwasser sowie der Umstieg auf erneuerbare Energieträger. Die neue Energiestrategie des Bundes will die Gebäudesanierungsrate verdoppeln. Statt heute 1% sollen bis 2050 jährlich 2% des gesamten Gebäudeparks energetisch saniert werden. Auch Mieter-Innen und VermieterInnen müssen ihren Teil dazu beitragen, denn 40% der Wohnbezugsfläche sind Mietwohnungen, in welchen 60% der Menschen leben. Die durchschnittlichen Ausgaben eines Miethaushaltes für Energie (Strom, Heizung und Warmwasser) sind klein, sie machen 2 bis 3% des Haushaltbudgets aus. Um die energetische Sanierungsrate bei Mietliegenschaften zu erhöhen, braucht es eine faire Verteilung der Kosten und Wirkungen, dies vor allem bei Mieterwechsel.