15.08.2022
-
Zürich  | 
Mietrecht

Ungebetene Gäste

In Wohnräumen kreucht und fleucht manchmal so allerlei: Schaben, Motten, Mäuse, Ratten oder Bettwanzen. Wer beseitigt diese Schädlinge und wer trägt die Kosten dafür?

Text: Fabian Gloor

«Sie Grüsel, das kommt Sie teuer zu stehen!», schimpft die Vermieterin. Ueli Blum hat beim nächtlichen Gang zum Kühlschrank auf dem Küchenboden unzählige Käfer entdeckt. Als er das Licht anzündete, huschten sie wieder weg. Sie waren schwarz, mit einer Körperlänge von etwa 20 Millimetern nicht gerade klein und eher behäbig unterwegs.

Ungebetene Gäste
Bei den Tierchen handelt es sich wohl um orientalische Schaben, auch bekannt als «Küchenschaben», eine Schabenart, die aus tropischen Regionen stammt. Folglich findet man sie vor allem dort, wo feuchtwarme Bedingungen herrschen, wie z. B. in Tropenhäusern von botanischen oder zoologischen Gärten oder in Schwimmbädern – und eben auch in Küchen. In grossen Wohnanlagen können sich die Tiere über Versorgungsschächte von einer Wohnung zur nächsten ausbreiten. Deshalb helfen nur systematische Bekämpfungsmassnahmen. Nur wenn im gesamten Gebäude über mehrere Monate hinweg eine professionelle Schabenbekämpfung durchgeführt wird, kann der Befall beseitigt werden.

Mieterinnen müssen nicht bezahlen
Die Vermieterin will nun auf Kosten von Blum einen Kammerjäger kommen lassen. Denn sie ist überzeugt, dass Blum nicht gründlich geputzt und deswegen den Schädlingsbefall zu verantworten hat oder die Tierchen sogar selber einschleppte. Der Beizug eines Kammerjägers ist richtig und auch wichtig, denn mit Küchenschaben ist nicht zu spassen. Sie können zahlreiche Infektionskrankheiten übertragen. Man hat z. B. festgestellt, dass Bakterien über viele Stunden hinweg am Körper der Schädlinge haften bleiben können. Krankheitserreger werden auch über die Exkremente ausgeschieden. Was viele nicht wissen: Sogar der Kot dieser Hygieneschädlinge kann Allergien auslösen.

Falsch ist aber die Annahme, dass Blum die Rechnung bezahlen müsse. Dafür müsste die Vermieterin nämlich beweisen können, dass er die Tierchen eingeschleppt hat. Dieser Beweis wird ihr wohl nicht gelingen, denn Küchenschaben können beispielsweise mit Verpackungsmaterial, Elektrogeräten oder Feriengepäck in ein Haus gelangen. Dann verbreiten sie sich rasch entlang von Leitungen und befallen mehrere Wohnungen. Wie die Tierchen ursprünglich hereingekommen sind, lässt sich deshalb kaum feststellen. Folglich muss die Vermieterin die Kosten für den Kammerjäger selber berappen.

Oder doch?
Zulasten der Mieterschaft gehen die Kosten für die Schädlingsbekämpfung nur, wenn man ihr – wie bereits erwähnt – nachweisen kann, dass sie das Ungeziefer unter Verletzung der mietrechtlichen Sorgfaltspflicht eingeschleppt hat. Das ist etwa der Fall, wenn die Haustiere Flöhe heimbringen oder wenn Mieter*innen auf dem Balkon eine Styroporschachtel lagern, die sich eine Wespenkönigin für eine Nestgründung aussucht. Nicht in die Verantwortung der Vermieterschaft fällt dagegen die Bekämpfung der Flattertiere, die hin und wieder in Küchen auftauchen.

Dabei handelt es sich um sogenannte Dörrobstmotten, die durch Lebensmittel eingeschleppt werden. Weil dazu keine professionelle Hilfe nötig ist, müssen die betroffenen Mieter*innen selber gegen diese vorgehen. In solchen Fällen spricht man von sogenanntem «kleinem Unterhalt», der gemäss Art. 259 OR Sache der Mieterschaft ist. Es empfiehlt sich, dazu die Küchenschränke zu putzen und Lebensmittel in dicht schliessende Gefässe umzufüllen.

Vorsicht vor Ratten und Mäusen
Ernst zu nehmen sind Ratten und Mäuse. Auch diese können Krankheiten verbreiten und Kabel annagen, was unter Umständen zu Kurzschlüssen und Bränden führt. Gegen einzelne Tiere können Mieter*innen selber vorgehen, indem sie Fallen stellen oder Giftköder auslegen. Dann handelt es sich ebenfalls um einen «kleinen Unterhalt», der gemäss Art. 259 OR Sache der Mieterschaft ist. Nützt das nichts oder treten die Nagetiere in grösserer Zahl auf, muss die Vermieterschaft eine Schädlingsbekämpfungsfirma beiziehen. Wenn sich Ratten ausbreiten, muss meistens auch die Kanalisation repariert werden. Das ist eindeutig Sache der Vermieterschaft.

Anspruch auf Mietzinsreduktion
Ein Schädlingsbefall ist ein Mangel. Wie bei anderen Mängeln am Mietobjekt haben Mietende auch bei Schädlingsbefall Anspruch auf eine Mietzinsreduktion. Dies gilt allerdings nur, wenn die Vermieterschaft den Mangel kennt. Zudem sind Mieter*innen gemäss Art. 257g OR verpflichtet, erkennbare Mängel der Vermieterschaft zu melden. Andernfalls riskieren sie, für Folgeschäden verantwortlich gemacht zu werden. Deshalb ist es wichtig, sofort zu reklamieren. Bei Schädlingen ist rasches Reagieren umso wichtiger, als sich diese schnell vermehren. Und je grösser der Befall ist, desto aufwändiger und entsprechend teuer ist deren Bekämpfung. Ein E-Mail genügt in den meisten Fällen zwar auch, ein eingeschriebener Brief ist aber definitiv sicherer.

Mietzins hinterlegen
Unternimmt die Vermieterschaft nichts gegen Schädlinge, obwohl sie dazu verpflichtet wäre, können Mietende den Mietzins als Druckmittel amtlich hinterlegen. In diesem Fall entrichten sie den Mietzins nicht mehr der Vermieterschaft, sondern deponieren ihn auf einem ganz bestimmten, von der zuständigen kantonalen Schlichtungsbehörde bezeichneten Konto. Ein eigenes Sperrkonto bei einer Bank zu eröffnen und den Mietzins auf dieses einzuzahlen, ist dagegen das falsche Vorgehen und birgt das Risiko einer Zahlungsverzugskündigung. Bei der Mietzinshinterlegung sind auch einige Formalitäten zu beachten. In einem ersten Schritt ist der Vermieterschaft eine Frist zur Behebung des Mangels anzusetzen und die Hinterlegung anzudrohen. Lässt sich die Vermieterschaft davon nicht beeindrucken und lässt sie die Frist ungenutzt verstreichen, darf die Mieterschaft den Mietzins auf das von der Schlichtungsbehörde bezeichnete Konto einzahlen. Tut sie dies rechtzeitig, also gemäss dem im Mietvertrag vereinbarten Zahlungstermin, dann gilt die Miete als bezahlt.

Danach ist die Vermieterschaft über die Hinterlegung zu informieren. Innert 30 Tagen muss dann auch ein Schlichtungsverfahren eingeleitet werden. Sonst wird das hinterlegte Geld an die Vermieterschaft ausbezahlt und die Mieterschaft müsste das ganze Prozedere wieder von vorne beginnen, womöglich also noch länger mit den Schädlingen unter einem Dach leben. Diese formellen Hürden erscheinen auf den ersten Blick abschreckend. Auf der Website www.mieterverband.ch finden sich Musterbriefe und Merkblätter dazu. Bei weiteren Fragen helfen die Rechtsberatungsstellen und die telefonische Hotline des MV gerne weiter.