19.09.2022
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Miettipp

Was heisst «nebenkostenfähig»?

Wegen der hohen Energiepreise müssen viele bereits in diesem Jahr bei den Nebenkosten drauflegen. Nächstes Jahr dürften die Aufschläge noch grösser sein. Es lohnt sich darum, die Abrechnung genau zu prüfen.

Noch geniesst Peter Grütter die warmen Sommertage. Die Heizung steht still und die kalten Tage liegen in weiter Ferne. Doch was er aus den Medien vernimmt, verunsichert ihn. Infolge des Kriegs in der Ukraine sind die Grosshandelspreise für Heizöl, Erdgas und Strom regelrecht explodiert. Experten zufolge wirken sich die gestiegenen Preise für fossile Heizenergieträger bereits in diesem Jahr auf die Nebenkosten aus.

Das muss auch Grütter feststellen, als er die Nebenkosten-Abrechnung für seine knapp 100 Quadratmeter grosse Wohnung in den Händen hält: Die Nebenkosten für die Periode vom 30.6.2021 bis zum 1.7.2022 sind um 530 Franken auf rund 1900 Franken gestiegen. Während er letztes Jahr noch Geld für zu viel bezahlte Akonto-Beiträge zurückerhalten hat, muss er dieses Jahr einen happigen Betrag nachzahlen.

Hohe Nachforderungen sind zulässig
Sind solch hohe Nachforderungen überhaupt zulässig? – Nach aktueller Rechtsprechung leider schon. Sogar dann, wenn sie die Akontozahlungen massiv überschreiten. Gemäss Bundesgericht ist die Vermieterschaft nicht einmal verpflichtet, die Mietenden über die abschätzbare Höhe der Nebenkosten aufzuklären. Diese mieterfeindliche Praxis ist sehr fragwürdig – insbesondere jetzt, wo die Energiepreise so hoch sind. Schliesslich ist die Höhe der Nebenkosten für viele Mietende ein zentrales Kriterium bei der Wahl der Wohnung, und Transparenz ist ein wichtiges Element im Missbrauchsschutz.

Leider sind die diesjährigen Aufschläge nur die Vorboten eines noch grösseren Preishammers, der vielen Mietenden bei der Abrechnung 2023 droht. Für grössere Wohnungen rechnen Expert*innen mit einer Erhöhung um bis zu 1200 Franken. Grütter sollte deshalb seine Abrechnung besonders gut kontrollieren. Immer wieder schleichen sich Fehler ein, die sich mit geringem Aufwand finden lassen.

Mietvertrag kontrollieren
Erste Patzer können schon zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses passieren. Mieter*innen müssen nur jene Nebenkosten bezahlen, die im Mietvertrag besonders vereinbart wurden. Vermieter*innen müssen dementsprechend alle Nebenkostenpositionen einzeln auflisten und genau bezeichnen. Formulierungen, wonach die Mieterschaft «sämtliche Nebenkosten» oder «alle Nebenkosten ohne Strom» bezahlen muss, sind zu ungenau und deshalb nichtig. Sie haben zur Folge, dass mit dem Nettomietzins alle Leistungen des Vermieters als bezahlt gelten. Grütter ist also erst einmal zu raten, die Nebenkostenabrechnung mit seinem Mietvertrag abzugleichen.

Tatsächlich entdeckt er in seiner Abrechnung die Rechnungsposition «Kaminfeger». Sein Mietvertrag erwähnt aber nur die Kosten fürs Heizen, solche für den Kaminfeger sucht Grütter vergeblich. Sind sie also nicht geschuldet? – Leider doch, bei den Heiz- und Warmwasserkosten gibt es nämlich eine Ausnahme: Sind diese im Mietvertrag aufgeführt, so dürfen gemäss Art. 5 der Verordnung über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen (VMWG) ohne besondere Erwähnung nebst den Energiekosten auch die Heiznebenkosten wie Brenner- und Boilerservice, Pumpenstrom, Tankrevision, die Messung des Wärmeverbrauchs und eben auch die Kosten für den Kaminfeger in Rechnung gestellt werden.

Nur Betriebskosten sind Nebenkosten
Als Nächstes sollte Grütter prüfen, ob es sich bei den einzelnen Rechnungspositionen tatsächlich um «nebenkostenfähige» Leistungen handelt. Nebenkostenfähig sind nämlich nur sogenannte Betriebskosten, die gemäss Artikel 257b OR «mit dem Gebrauch der Mietsache zusammenhängen». Typische Beispiele sind neben den Heiz- und Warmwasserkosten Kosten für die Hauswartung (inkl. Sozialleistungen und Versicherungen), die Gartenpflege, die jährliche Gebühr für Kehricht oder der Allgemeinstrom. Unterhaltskosten dagegen dürfen nicht als Nebenkosten in Rechnung gestellt werden, ungeachtet dessen, ob sie im Mietvertrag erwähnt sind oder nicht. Ebenfalls unzulässig sind Kosten für jegliche Form von Steuern, Gebäudeversicherungsprämien, Anschlussgebühren für die Kanalisation, die Gebühr für Regenwasser (Meteorwasser) und insbesondere Reparaturkosten und Erneuerungskosten.

Was tun gegen den drohenden Preishammer?
In einem Begleitbrief zur Nebenkostenabrechnung weist die Verwaltung Grütter auf die steigenden Energiepreise hin. Sie empfiehlt ihm, die monatlichen Akontozahlungen zu erhöhen, natürlich auf freiwilliger Basis. Soll er darauf eingehen? – Sofern es sein Portemonnaie zulässt, sollte er dies in Anbetracht der aktuellen Situation tun. Denn bei Akontozahlungen handelt es sich nur um Anzahlungen an die tatsächlich anfallenden Kosten. Der erwartete Preisschock vom kommenden Jahr liesse sich damit übers ganze Jahr verteilen und so ein wenig «abfedern». Alternativ kann Grütter natürlich auch selber Rücklagen bilden, um so besser für die drohenden Nachforderungen gewappnet zu sein.

Erhöhung nur mit Begründung
Es gibt auch Mietverhältnisse, bei denen die Nebenkosten pauschal abgerechnet werden. In diesen Fällen werden die Nebenkosten im Voraus ziffernmässig festgesetzt. Mit der Bezahlung der Pauschale gelten sämtliche Nebenkosten als abgegolten, unabhängig davon, ob die effektiven Aufwendungen der Vermieterschaft höher oder tiefer sind. Eine Nebenkostenabrechnung gibt es folglich nicht. Dürfen Vermieter*innen den Pauschalbetrag in Anbetracht der höheren Energiekosten erhöhen? – Ja, das dürfen sie, allerdings nicht beliebig. Die Vermieterschaft muss die Erhöhung anhand des Durchschnitts der letzten drei Jahre nachweisen. Bis sich die aktuell höheren Energiepreise in der Pauschale niederschlagen, dauert es also. Zudem muss die Änderung mit Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist auf einen im Mietvertrag vorgesehenen Kündigungstermin hin erfolgen und auf dem amtlichen Formular angekündigt und begründet werden. Das Formular muss mindestens zehn Tage vor Beginn der Kündigungsfrist bei der Mieterschaft eintreffen. Diese kann die Erhöhung innert 30 Tagen bei der Schlichtungsbehörde anfechten. Das sollte sie insbesondere dann tun, wenn die Erhöhung nicht dem Durchschnitt der letzten drei Jahre entspricht. Um dies zu überprüfen, hat die Mieterschaft das Recht, in die Belege der Vermieterschaft Einblick zu nehmen.

Fragen und warm anziehen
Dem Preishammer wird Grütter kaum entkommen. Das geltende Mietrecht bietet dafür wenig Handhabe. Ein Recht auf eine bessere Wärmedämmung oder gar eine Wärmepumpe haben Mieter*innen leider nicht. Doch vielleicht lässt sich die Vermieterschaft ja in einem konstruktiven Gespräch von einem energieeffizienteren und nachhaltigeren Heizungssystem überzeugen. Fragen ist ja nicht verboten.

So schnell geht das mit der neuen Heizung aber sowieso nicht. Für die kommende Heizsaison sollten sich Mieter*innen deshalb warm anziehen. Dies im wahrsten Sinne des Worts: Der Energieverbrauch lässt sich nämlich um rund 6 Prozent senken, wenn die Heizung um nur ein Grad zurückgedreht wird. Die Raumtemperatur und den Wasserverbrauch zu senken, ist schon mal ein sehr guter Ansatz. Bei Wohnungen, in denen die Nebenkosten nach dem individuellen Verbrauch abgerechnet werden, kann man so sein Portemonnaie und gleichzeitig die Umwelt schonen. Allerdings gibt es gerade für ältere Liegenschaften immer noch keine allgemeine Pflicht zur verbrauchsabhängigen Heizkostenabrechnung – obwohl dies der Mieterinnen- und Mieterverband wiederholt gefordert hat.

Bei Nichtbezahlung droht Kündigung
Gemäss Art. 257d OR kann die Vermieterschaft bei Zahlungsverzug von Mietzins und Nebenkosten das Mietverhältnis kurzfristig kündigen. Vor einer Zahlungsverzugskündigung ist die Mieterschaft allerdings geschützt, wenn sie die Nebenkostenzahlung «in guten Treuen» verweigert, wenn sie also berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der Abrechnung hegt.

Aber Achtung: Der unbestrittene Teil der Nebenkosten muss unbedingt bezahlt werden, andernfalls droht der Rauswurf aus der Wohnung. Der bestrittene und der unbestrittene Anteil lassen sich allerdings oft nicht genau auseinanderhalten. Deshalb ist es wichtig, dass sich Mieter*innen vom MV beraten lassen – spätestens dann, wenn sie von der Vermieterschaft eine Zahlungsaufforderung mit Kündigungsandrohung erhalten.