Am 1. März 2021 konnten die Mietenden der Bertastrasse 4 (Mitte) wieder in ihre Wohnungen einziehen.
17.05.2021
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Mieteraktion

So geht es immer

Die Mietenden der Bertastrasse 4 in Zürich sind in ihre sanierten Wohnungen zurückgezogen. Eine engagierte Mieterschaft und das Mietrecht machten es möglich.

Am 22. Mai 1991 kaufte die gemeinnützige «Stiftung zur Erhaltung von  preisgünstigen Wohn- und Gewerberäumen» (PWG) ihr erstes Haus. Der Kauf von Liegenschaften ist ihre Strategie. Weil sie keine Gewinnabsichten verfolgt und die langfristige Übernahme der bestehenden Mietverhältnisse garantieren soll, gibt es auch heute noch Eigentümer*innen, die ihre Häuser zu einem  vertretbaren Preis an sie verkaufen.

Dreissig Jahre nach dem ersten Kauf  umfasst das PWG-Portfolio rund 1900 Wohnungen und 300 Gewerbeobjekte. In den Jahresberichten halten sich mittlerweile die Nachrichten über Käufe und Sanierungen die Waage. Damit stellt sich die Frage, wie umfassende  Sanierungen abgewickelt werden. Deshalb horchten Insider auf, als im  Frühling 2018 die Nachricht die Runde machte, den Mietenden des 1992  gekauften PWG-Hauses Schreinerstrasse 42 sei wegen Sanierung die  Kündigung zugestellt worden. 

Verzicht auf Kündigungen

Das Haus an der Bertastrasse 4 mit neun Wohnungen und zwei Ladenlokalen erwarb die PWG 2002. Im Frühling 2017 wurde den Mietenden mitgeteilt, eine Sanierung werde geplant. Die Hausgemeinschaft gab in ihrer sofort verfassten Antwort dem Wunsch Ausdruck, diese solle so sanft wie möglich und ohne Grundrissänderungen geplant werden.

Im Juni 2018 teilte die PWG mit, die Wohnungen würden per 31. Mai 2019 gekündigt, weil im Zug der Sanierung asbesthaltige Schadstoffe entsorgt werden müssten. Für die Mietenden war das ein Schock. Sie schickten Briefe an die PWG, führten Gespräche und holten beim MV fachlichen Rat ein. Im August bot die Geschäftsstelle der PWG Unterstützung bei der Wohnungssuche und ein Vormietrecht für die umgebauten Wohnungen an. An der Kündigung wollte sie festhalten. Erst als sich der Stiftungsrat und dessen Ausschuss einschalteten, kam Bewegung in die Sache. In der Planung nicht berücksichtigte Einwände der Mietenden zur Anpassung der Grundrisse wurden teilweise aufgenommen. Ihr Wunsch, das Haus möge strangweise saniert werden und ein Teil der Mietenden in den  Wohnungen bleiben können, wurde aber abgelehnt. Hingegen wurde vereinbart, dass die Mietenden während der Bauzeit auf eigene Kosten aus ihren Wohnungen ausziehen und die PWG auf die Kündigung der Mietverträge verzichtet. Grundlage der Vereinbarung ist die bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach eine Kündigung wegen Sanierung gegen Treu und Glauben verstösst, wenn die Mietenden ihre  Wohnung auf eigene Kosten räumen und während das Umbaus ausziehen. 

Hausgemeinschaft bleibt erhalten

Ende März 2020 gaben die Mietenden ihre Mietobjekte ab, einzelne konnten in eine von der PWG zur Verfügung gestellte Ersatzwohnung ziehen. Elf Monate später konnten sie an die Bertastrasse zurück – zunächst zu  denselben Konditionen. Die aufgrund der wertvermehrenden Investitionen anstehende Mietzinserhöhung – die sie mietrechtlich überprüfen lassen  können – soll ihnen Mitte Jahr zugestellt werden.

Nach dem Wiedereinzug gibt es von beiden Seiten kritische Bemerkungen. Die Mietenden sind enttäuscht, dass sie von der PWG nicht stärker in die Planung der Sanierung  einbezogen wurden. PWG-Sprecher Kornel Ringli weist darauf hin, dass die  Stiftung mit der «für beide Seiten aufwändigen Lösung … gezielt auf die  Bedürfnisse der Mietenden» eingegangen sei und dennoch einzelne Mietende «auf ihr Rückkehrrecht verzichtet» hätten.

Trotzdem kann festgehalten werden, dass die Hausgemeinschaft nicht auseinandergerissen wurde. Eingehalten werden konnte auch das dem ehemaligen Eigentümer gegebene Versprechen, die Mietverhältnisse weiterlaufen zu lassen.