Die Grenzen des Schröpfens
Die Pensionskasse der ZKB wollte bei einer Neuvermietung im Seefeld das Maximum herausholen und griff zu unlauteren Mitteln beim Anfangsmietzins. Damit kam sie nicht weit.
Text: Esther Banz
Es klingt grandios: der Charme der Altbauwohnung, der Luxus der liebevollen Renovation mit hochwertigen Materialien, beste Lage, fantastische Aussicht, rundherum Kultur und Lebensqualität. Freilich, das kostet. 4000 Franken für eine 4-Zimmer-Wohnung, ohne Nebenkosten. Claudia Schneider* ist interessiert, da sie mit ihrem Partner gemeinsam eine neue Wohnung beziehen möchte. Sie meldet sich bei dem Immobilien-Treuhandunternehmen,
das die Neuvermietung der drei Häuser an der Zollikerstrasse 21 bis 23 managt. Und erhält einen Besichtigungstermin, wobei: «Richtig begehen konnten wir sie nicht, die Wohnräume waren teilweise abgesperrt.» Sie und ihr Partner entscheiden sich danach dennoch, zuzusagen – und erhalten ihrerseits den Zuschlag. Beide verdienen gut, sie können sich die je 2000 Franken im Monat leisten. Aber sie wollen auch etwas dafür.
Hier stimmt etwas nicht
Bei der Wohnungsabnahme kommt Claudia Schneider aus dem Staunen nicht mehr heraus. Teile des alten Parkettbodens sind nicht frisch geschliffen. Die Heizkörper an der Rückseite mangelhaft gestrichen, die Wand hinter der Heizung ebenso. Im Badezimmer fehlt jeglicher Ablageplatz. Unter einem Fenstersims wurde nicht verputzt – durch einen offenen Schlitz dringt von draussen kühle Luft ins Zimmer. Der Boden des Balkons ist von unten her mit Moos überwuchert. Die Haushaltgeräte sind zwar «gute Marken, aber die billigsten Modelle», zählt die Frau weiter auf. Noch schlimmer: «Die Heizung. Wir sind in einer kalten Woche eingezogen, die Heizung funktionierte nicht. Und sie tut es bis heute nicht richtig. Stattdessen klopft sie – die ganze Nacht.» Schneider und ihr Partner beschleicht das Gefühl, dass hier etwas nicht ganz stimmt – vor allem der hohe Mietzins nicht. Sie werden in ihrer Vermutung bestätigt, als der Mieterinnen und Mieterverband sie kontaktiert.
Der MV-Vertrauensanwalt Peter Zahradnik braucht nicht lange, um zu erkennen: Vor Gericht wird die Eigentümerin – die Pensionskasse der Zürcher
Kantonalbank ZKB – respektive ihr Anwalt beim Verteidigen dieses Anfangsmietzinses schlechte Karten haben. In den ihm vorliegenden Mietverträgen sieht er überall dasselbe: Da, wo die Vermieterin den Mietzins der Vormieterinnen und -mieter eintragen müsste, fehlen die Angaben. Es steht einfach nichts da. Dabei verlangt das Gesetz ganz klar, dass der vorherige Mietzins offengelegt wird. «Ohne diese Angabe sind die Mietverträge der neu einziehenden Mieterinnen und Mieter an der Zollikerstrasse 19 bis 23 bezüglich des Anfangsmietzinses nichtig», sagt Peter Zahradnik.
Die Vermutung liegt nahe, dass Schäppi Liegenschaften als Vermieterin gehofft hatte, die Mieterinnen und Mieter würden die Missstände nicht bemerken respektive die dreissigtägige Frist zur Anfechtung des Anfangsmietzinses verpassen. Pikant dabei ist, dass Beatrice
Schäppi, Gesellschafterin und CEO des Unternehmens, gleichzeitig Präsidentin des Verbandes der Zürcher Immobilienfirmen ist – da würde man doch Kenntnis der Rechtslage erwarten.
Es kam dann auch anders: Noch innerhalb der Frist informierte der MV die neu eingezogenen Mieterinnen und Mieter darüber, wie viel Miete ihre Vorgänger
bezahlt hatten – und über ihr Recht, den Anfangsmietzins anzufechten. In der Folge schlossen sich mehrere Mietparteien zusammen und fochten, vertreten von Peter Zahradnik, erfolgreich den Anfangsmietzins an.
Langjährige Mieterinnen rausgeworfen
Im November letzten Jahres liess M+W Mieterinnen zu Wort kommen, die viele Jahre in einer der 35 gut erhaltenen Wohnungen dieser drei Häuser gewohnt hatten. Eine pensionierte Krankenschwester, die mehr als ihr halbes Leben in einer der 3-Zimmer-Wohnungen zuhause war. Ohne Vorwarnung hatte ihr die Verwaltung gekündigt, mit nur gerade vier Monaten Frist. Den anderen Mieterinnen und Mietern erging es gleich. Eine, sie ist Angestellte eines städtischen Horts, wusste sofort, dass sie mit ihrem bescheidenen Lohn keine Chance haben würde, im Quartier, in dem sie tief verwurzelt war, eine andere bezahlbare Wohnung zu finden. Die Betroffenen gründeten damals eine Interessengemeinschaft, sammelten auf der Strasse 1600 Unterschriften gegen die geplante Luxussanierung und gelangten auch an den Stadtrat. Der Besitzerin schlug man freundlich vor, die Häuser in Etappen zu sanieren und darauf bedacht zu sein, dass sie, die langjährigen Mieterinnen und Mieter, bleiben respektive zurückkehren können.
Es nützte alles nichts: In heuchlerischem Ton behaupteten der Geschäftsführer
der Pensionskasse der ZKB, Reto Portmann, und sein Stellvertreter, Daniel Hirschi, damals, man sei «gerne» ihrem Wunsch nachgekommen und habe «sorgfältig» abgewogen, ob die Wohnungen während der Sanierungsphase bewohnt werden könnten. Man halte aber am bisherigen Entscheid fest.
Die beiden müssten eigentlich wissen, dass die städtische Liegenschaftsverwaltung und die Genossenschaften Mal für Mal zeigen, wie man Häuser sanft und in Etappen renoviert. Dass Wohnen ein Grundrecht ist und es sich für eine selbstständige öffentlich-rechtliche Anstalt des Kantons, wie die ZKB eine ist, nicht gehört, Menschen, die stets zuverlässige Mietzins- und Steuerzahlerinnen waren, dem reinen Profitdenken zu opfern. Die Herren zogen es trotzdem durch. Jetzt zeigt sich: Wenigstens hat das Schröpfen der Mieterinnen und Mieter Grenzen. Das Recht, den Anfangsmietzins anzufechten, zeigt Wirkung.
Mietzinserhöhungen sind nichtig
Die Pensionskasse hatte nämlich geglaubt, sie könne die Wohnungen als nicht
nur frisch renoviert, sondern als geradezu neuwertige (Luxus-)Objekte darstellen. Damit dies vor Mietgericht Bestand hat, muss eine Wohnung aber stark verändert werden, beispielsweise indem zwei Wohnungen baulich zusammengelegt und neu als Einheit vermietet werden oder umgekehrt durch Aufteilung einer Wohnung in mehrere Einheiten – oder auch, indem eine Wohnung grundlegend neu gestaltet wird, auch im Grundriss. Die Pensionskasse hatte tatsächlich etwas am Grundriss verändert: Auf Kosten eines Schlafzimmers versetzte man eine Wand teilweise. Aber das reichte nicht. Peter Zahradnik: «Die Identität der Objekte besteht noch. Dadurch sind die Mietzinserhöhungen in diesem Ausmass nichtig.» Die Renovation sei sogar nur eine punktuelle gewesen, ergänzt Peter Zahradnik noch und verweist auf die nicht rundum gestrichenen Heizkörper bei Claudia Schneider.
Dasselbe Bild bei Fabian Pfister, einem weiteren neuen Mieter. Der ursprünglich sehr hohe Mietzins schreckte ihn und seine Partnerin – beide sind voll berufstätig – nicht ab. Sie verdienen gut, haben keine Kinder und durch das Studieren der Wohnungsanzeigen im Internet hatten sie den Eindruck bekommen, dass es fast unmöglich sei, in Zürich eine weniger teure Wohnung zu finden. Auch die Diskrepanz zwischen dem in der Ausschreibung Versprochenen und der tatsächlichen Qualität der eingebauten Objekte in der Wohnung vermochte Pfister anfänglich nicht gross aufzuregen. Aber ins Staunen kam auch er – wegen der Heizkörper und als ihm auffiel, dass die Türen nur teilweise ausgewechselt worden waren, auf Kosten eines einheitlichen Designs. Und drittens als er hörte, um wie viel die Miete im Vergleich zu vorher erhöht wurde. Das hätte er eigentlich schon im Mietvertrag sehen sollen, aber diese Information war ihm bekanntlich vorenthalten worden.
3400 anstatt 4000 Franken
Noch im Winter und bevor es überhaupt zu einer Schlichtungsverhandlung kam, fanden die Anwälte der beiden Seiten eine Einigung: Der Anfangsmietzins wird rückwirkend um 15 Prozent reduziert. Claudia Schneider und ihr Partner bezahlen also ab Beginn des Mietverhältnisses noch 3400 anstatt 4000 Franken exklusive Nebenkosten. Eine erhebliche Reduktion und eine Genugtuung für die neuen Mieterinnen und Mieter, die sich teils auch wegen des unfreundlichen Umgangs der Verwaltung mit ihnen entschieden, sich zu wehren.
Eine letzte Anekdote: Die Häuser, erzählt Claudia Schneider, waren frisch renoviert, der Zeitpunkt gekommen, an dem die ersten Mieterinnen und Mieter in ihre vermeintlichen Luxuswohnungen einziehen konnten. Fünf Stockwerke sind die Häuser hoch, da ist man froh um den Lift, gerade beim Schleppen schwerer Ware. Und besonders beim Zügeln. Aber als die ersten Mieterinnen ins Haus mit der Nummer 23 einzogen – da funktionierte der Lift noch gar nicht. Den Neuen, die um die 10 000 Franken Depot hatten hinterlegen müssen, blieb nichts anderes übrig, als alle ihre Kisten die Treppe hinauf in die neue Wohnung zu schleppen.
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