28.02.2019
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Zürich  | 
Mieteraktion

Stefanini-Wohnungen Winterthur: «Wir nehmen sie beim Wort»

Bleiben die Wohnungen des verstorbenen Winterthurer Milliardärs Bruno Stefanini günstig?


Die halbe Altstadt von Winterthur gehörte dem verstorbenen Bruno Stefanini. Und darüberhinaus noch zahlreiche Wohnliegenschaften in St.Gallen, Chur und Zürich. Der skurrile Milliardär, der an Demenz litt, sammelte Häuser wie andere Leute Briefmarken. Er verstarb im vergangenen Dezember mit 94 Jahren. Nach der Testamentsöffnung sind die Besitzverhältnisse klar: Das Immobilienimperium geht an Stefaninis Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte. Im Portefeuille befinden sich gegen 250 Liegenschaften mit rund 3000 Wohnungen. Die genaue Zahl kennt auch Bettina Stefanini nicht. Die Tochter und Präsidentin des Stiftungsrats muss sich erst einen Überblick über den riesigen Besitz verschaffen. Was die Erbin jetzt tut, ist für Tausende von Mietenden von grosser Bedeutung. Denn die Befürchtung steht im Raum, dass die Mieten massiv steigen könnten, weil der Renovationsbedarf mancher Häuser hoch ist. Stefanini vernachlässigte den Unterhalt und liess viele Objekte verlottern, bis ihm sogar die Baupolizei auf die Pelle rückte. Viele Wohnungen haben kaum eine Heizung und veraltete Sanitäranlagen, es sind Nullkomfort-Logen. Der Vorteil ist, dass sie sehr billig sind. Vier Wände und ein Dach für ein paar Hunderter pro Monat, wo gibt es das sonst noch? Trotz Tiefstandard ein kostbarer Wohnbestand also. Er erlaubt es Leuten mit wenig Einkommen, ein bescheidenes Leben ohne grossen Erwerbszwang zu führen.

Sie wollen sich nicht vertreiben lassen
Bettina Stefanini liess verlauten, die Winterthurer Altstadt liege ihr am Herzen. Sie wolle sanft renovieren: «Gentrifizierung ist nicht mein Ding.» Günstiger Wohn- und Gewerberaum solle erhalten bleiben. Das tönt nicht schlecht in den Ohren der Betroffenen. Die Praxis der Terresta AG, welche die Immobilien verwaltet, ging bisher teils eher in Richtung Totalsanierung, mit der Folge einer massiven Verteuerung der Mieten. Das schürte Widerstand. Die Interessengemeinschaft der BewohnerInnen und BenutzerInnen von Stefanini-Liegenschaften wehrt sich. Man will sich nicht durch Aufwertung vertreiben lassen und fordert die Erhaltung von bezahlbarem Wohnraum. Eine gute Strategie wäre nun diese: Die Stiftung klärt den Bauzustand ab, setzt sich mit den Betroffenen zusammen und entwirft einen Renovationsplan mit dem Ziel, die Mieten möglichst tief zu halten. Der MV Winterthur hat sich schon mehrfach für die verunsicherten Stefanini-Mietenden engagiert. «Wir sind im Gespräch mit der IG, und wir wollen auch den Kontakt zur Stiftung suchen», sagt Geschäftsstellenleiterin Eveline Kunz. Sie hat die Aussagen von Bettina Stefanini zur sanften Renovation gehört und sagt: «Wir nehmen sie beim Wort.» Was die Stiftung tut, ist für die Stadt Winterthur von grosser Bedeutung. Der Charakter der Altstadt steht auf dem Spiel. Heute präsentiert sich das Winterthurer Zentrum sehr eigenständig. Es ist vielfältiger und lebendiger als andere. Der Grund sind die vergleichsweise tiefen Mieten. Sie ermöglichen eine Vielfalt, die andernorts, wo aus Gewerberaum Maximalprofit geschlagen wird, längst verschwunden ist. Die Winterthurer Bevölkerung will eine bessere Politik. Das machte sie letzten November an der Urne deutlich: Mit 75 Prozent stimmte sie der Forderung zu, dass städtisches Bauland künftig nicht mehr verkauft, sondern nur noch im Baurecht abgegeben werden soll. Ein hoffnungsvolles Zeichen und ein klarer Wink an die Stadtbehörden.