Berta und Philippe Steger werden mit fast 90 Jahren brutal vor die Tür gesetzt.
21.12.2018
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Mieteraktion

Hart und herzlos

Zuerst die Leerkündigung, dann eine Schlichtungsstelle mit Schlagseite: Den älteren Menschen aus Regensdorf bleibt nichts erspart.

Rechts auf eine Krücke gestützt, links am Arm ihres Mannes Philippe (86)  verlässt Berta Steger (88) das Bezirksgericht in Dielsdorf ZH. Zusammen mit MV-Vertrauensanwalt Peter Zahradnik war das Paar zur  Schlichtungsverhandlung im Fall Swiss Life erschienen. Der Konzern hatte im Sommer über hundert Mietenden, darunter viele Ältere, in einer Siedlung in Regensdorf gekündigt. Während verantwortungsbewusste Vermieter bei Ersatzneubauten Rücksicht nehmen und Etappen- und Zwischenlösungen anstreben, lässt Swiss Life die Leute im  Regen stehen. Obwohl sie teils schon seit vierzig, fünfzig Jahren und mehr pünktlich die Miete zahlen. So wie die Stegers.

Und jetzt werden die  Betroffenen auch noch von der Schlichtungsstelle Dielsdorf im Stich gelassen. Sie hofften nämlich, mindestens ein Jahr Fristerstreckung zu erhalten. Doch die Vorsitzende der Schlichtungsbehörde fand an der Verhandlung Ende November, drei Monate sei das Maximum. Für manche soll es auch gar keinen Aufschub geben. MV-Anwalt Zahradnik ist schockiert: «Das habe ich noch nie erlebt!»

Wie er berichtet, sei Senioren vorgehalten worden, sie hätten sich nicht genügend bei der Wohnungssuche angestrengt. Die Vorsitzende habe offensichtlich keine Vorstellung davon, wie schwierig es für Betagte ist, eine bezahlbare Wohnung in der Region zu finden, in der sie verwurzelt sind. Es habe damit angefangen, dass jede Mietpartei separat zum Termin aufgeboten wurde, anstatt alle miteinander. Dann bestätigten die Urteilsvorschläge Zahradniks Befürchtung: «Die Vorsitzende entschied einseitig im Interesse der Vermieterin.» Im Gegensatz zur Stadt Zürich sei man sich auf dem Land der Probleme auf dem Wohnungsmarkt offenbar noch nicht bewusst. Die Schlichtungsbehörde habe das Alter der Mieterinnen und Mieter und auch die Mietdauer in keiner Art und Weise berücksichtigt.

Der MV-Anwalt und seine Klienten haben die Urteilsvorschläge abgelehnt, sie wollen jetzt vors Gericht. Zahradnik will dort insbesondere darlegen, «dass man so nicht mit älteren Menschen umspringen kann».

62 Jahre leben Berta und Philippe Steger schon in der Siedlung, sie zogen dort ihre drei Kinder auf. Sie haben kein Internet, um ein neues Zuhause zu suchen. Und ihre Renten sind zu gering, als dass sie bei den heutigen Mieten mithalten könnten. Sogar in dieser schwierigen Situation beweist das bescheidene Paar Haltung. Sie beklagen sich nicht, sondern versuchen, zuversichtlich zu sein: «Wir haben eine Zweizimmer-Wohnung angeschaut. Sie ist zwar doppelt so teuer wie unsere jetzige Dreizimmer-Wohnung. Wenn einer von uns stirbt, wird der andere sie nicht halten können, mit der kleinen Rente, die wir haben. Wir verdienten eben nicht so viel. Aber jetzt schauen wir einmal.»